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acostacarmenZum zweiten Mal beehrte der Ballett-Superstar Carlos Acosta das Festspielhaus St. Pölten. Allüren setzt das Ausnahmetalent aus Kuba allerdings nur als Interpret auf der Bühne ein. Als Chef einer Gruppe von jungen TänzerInnen lässt er vielmehr die Tradition der Repertoirecompagnie wieder aufleben. Im aktuellen Tourneeprogramm sind Werke von unterschiedlichen Choreografen und Stilen zu sehen, nur eines ist von ihm selbst.  

Die Geschichte des schwarzen Tänzers, der den Aufstieg aus den Slums von Havanna auf die illustren Bühnen dieser Welt geschafft hat, erweckt an sich schon Sympathie und hat wohl auch dazu beigetragen, dass sein Name weit über die engen Grenzen der Ballettwelt hinaus bekannt ist. Seine Bücher haben dabei ebenfalls geholfen, der biografische Film „Yuli“ der spanischen Regisseurin Iciar Bollaín, der dieser Tage beim Filmfestval in San Sebastian seine Premiere erlebt, wird seinen Ruhm weiter beflügeln. Gut so, denn Carlos Acosta steht heute nicht nur für Virtuosität, sondern für künstlerische und soziale Integrität. Er nützt seine Prominenz für die Förderung von Tanz und (besonders von farbigen) TänzerInnen in Kuba.acostadepunto
 
Obwohl Acosta klassisch sozialisiert wurde, ist es sein Ziel mit seiner Compagnie ein möglichst breites stilistisches Repertoire abzubilden. Das Programm „A Celebration“ wird mit einer frisch-jugendlichen Liebeserklärung des kubanischen Nachwuchschoreografen Alexis Fernández an seine Heimat eröffnet, in die sich immer wieder Salsa-Elemente „einschwindeln“. In „De Punta a Cabo“ interagieren die Tänzer auf der Bühne mit ihren Video-Images auf und vor der berühmten Kaimauer Havannas. Mit Ihren außergewöhnlichen Hüftschwüngen sticht in diesem Stück bereits Zeleidy Crespo hervor, die im zweiten Werk des Abends, im Duo mit Carlos Luis Blanco, fasziniert.

acostafaunoIn „Fauno“ verwandelt sich die Kulisse in einen Wald. Zum 100. Jahrestag der Ballets Russes (2009) kreierte Sidi Larbi Cherkaoui seine Version der Begegnung mit einer Nymphe als sinnliche Annäherung, die – im Gegensatz zu Nijinskis Original in einem hoch ästethischen, virtuosen Koitus endet. Debussys „Prélude d’un après-midi d’un Faune“ wird dabei mit dem perkussiven Sound einer Komposition von Nitin Sawheney ergänzt. Ein Juwel zeitgenössischen Tanzschaffens!acostarooster

1994 war das Jahr, in dem sich Christopher Bruce an acht Titel der Rolling Stones wagte und darin das Lebensgefühl der Jugend in den 1960er und 70er Jahren nachzeichnete. „Rooster“ ist eine der wenigen zeitgenössischen Choreografien, die im Zusammenspiel mit Popmusik bestehen kann – einerseits, weil Bruce die Songs in einem sehr musikalischen Sinn interpretiert, andererseits weil er dabei eine humorvolle kritische Distanz bewahrt. Die Boys hängen den Angeber heraus, der von den flinken Girls auf die Schaufel genommen wird. Reminiszenzen an eine Zeit, in der flirten noch ziemlich unbeschwert ablief. Carlos Acosta himself verlieh dem „red rooster“ sowohl seinen unbestechlichen Charme als auch seine perfekte Technik und machte diesen Klassiker der modernen Tanzkunst zu einem besonderen Highlights des Abends.

acostacarmen2Die stilistische Breite, die ihm ein Anliegen ist, wollte Acosta auch in seiner Choreographie „Carmen“ realisieren. Mit dieser Version für das Royal Ballet nahm er nach 17 Jahren seinen Abschied von der Bühne in Covent Garden. Musikalisch wurde die Carmen-Suite von Rodion Schtschedrin noch mit zeitgenössischen Kompositionen von Martin Yates erweitert. Opulent das Bühnenbild (Tim Hartley) mit seinem roten Kreis, expressiv, ja fast schon expressionistisch der Stier, der in dessen Mitte als Todesbote erscheint. Flamenco für den Auftritt von Don Escamillo, der an diesem Abend von Acosta getanzt wird, während Javier Rojas als José brillieren darf. Carmen ist auch für Acosta das Symbol einer nach Unabhängigkeit strebenden Frau. Sie oszilliert dabei zwischen femme fatale, laszivem Flittchen und zärtlicher Verführerin. Zwischendurch wähnt man sich sogar in einer Szene aus „Manon“. Aus diesen Versatzstücken von „Weiblichkeit“ einen Charakter zu formen, das gelingt bei allem Bemühen auch der wunderbaren Laura Rodriguez nicht.

Und dennoch: Mit „A Celebration“ wurde der Tanz von den tollen TänzerInnen von Acosta Danza ausgiebig gefeiert. Dass sich das Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von Paul Murphy von ihrem Elan bei „Fauno“ und „Carmen“ gerne animieren ließ, war hörbare Freude. Und die Vorteile von Repertoire-Compagnien wurden an diesem Abend ebenfalls offensichtlich. Bei einem Programm, das auf Diversität setzt, findet wohl jeder Zuschauer etwas à son gout. Ein gutes Zeichen also für den Saisonstart im ausverkauften Festspielhaus St. Pölten.

Acosta Danza „A Celebration“ am 22. September 2018 im Festspielhaus St. Pölten
Hinweis: Der Film „Yuli” kommt im Dezember in die Kinos.

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