Wenn Simon Mayer Brauchtümer performativ erkundet, dann geht es zur Sache. Auch sein „Requiem“ beginnt schonungslos. Im Foyer des Odeon wird der Körper von Matteo Haitzmann einbalsamiert, verkabelt und dann von vier Männern zu Grabe getragen. Das Publikum geleitet als Begräbnisschar den Leichnam ins Theater, wo er vor unseren Augen eingegraben wird - komplett.
Noch lange nachdem wir im Zuschauerraum Platz genommen haben, bleibt der Erdhaufen unbeweglich. Es bläst der Wind, es rieselt der Schnee, die Erde beginnt zu wabbern. Matteo Haitzmann bricht aus dem Grab aus. Ein zitterndes Häufchen Elend, dem nun vom Himmel eine Geige geschickt wird. Da erinnert er sich wohl seines (früheren) Musikerlebens, aber er spielt sie nicht, sondern streicht die Saiten mit seinem Bart und bringt sie so zum Klingen – Sixtus Preiss loopt die Töne und verdichtet sie zu einem wuchtigen Sound. Versatzstücke einer Rüstung mit rot glitzernden Steinen werden dem Auferstandenen gebracht, ein Spatenschuh weckt den Dämonen in ihm, mit dem er sich schließlich wieder sein eigenes Grab schaufelt. Bei der zweiten Auferstehung ist Haitzmann ein androgyner Discotänzer, der von Preiss‘ Techno-Beats angetrieben wird. Die Grablichter-Installation verwandelt sich zu einer Red-Light-Show. Bei einer weiteren Transformation erscheint er als Frau wiedergeboren. In einem weißen Engelskleid mit Schleppe gelingt ihm nun, dem Grab endgültig zu entkommen.
Allerdings: der geballte Eindruck, den der Anfang auf die ZuschauerInnen machte. verliert sich bei der Verhandlung von Identitätsfragen im Jenseits. Auch im metaphysischen Kontext bieten die szenische Darstellungen keine neuen Perspektiven darauf. Ähnliches hat man schon sehr oft, wahrscheinlich zu oft gesehen. Von einem originellen Schöpfer wie Simon Mayer ("SunbengSitting", "Sons of Sissy") erwartet man sich jedenfalls mehr Gestaltungsdichte. Da fiel sogar der Premierenapplaus verhalten aus.
Simon Mayer mit Matteo Haitzmann und Sixtus Preiss: „Requiem“, Uraufführung am 5. Dezember 2018 im Odeon als Veranstaltung von brut Wien. Weitere Aufführung am 7. und 8. Dezember.