Gar nicht weihnachtlich, aber dafür umso fantasievoller ist die jüngste Uraufführung im Dschungel Wien. „Elsas Traum“ ist so etwas wie ein Role Model für intelligentes Kindertheater, das auf spielerische Art und Weise brandheiße gesellschaftspolitische Themen behandelt. Autor Jérôme Junot, Regisseur Simon Dworaczek und ein hinreißendes, junges Schauspielerensemble mit Johanna Prosl in der Titelrolle, entführen das Publikum auf eine Reise durch die Insektenwelt und ihre sozialen Ungerechtigkeiten.
Elsa ist nämlich eine Biene, die davon träumt, ein Schmetterling zu sein. So wie Ricky Butterfly, der Popstar, der singen und tanzen kann und in einer Welt voller Farben lebt. Nicht wie sie, die als Tochter der Königin nur ihr Erbe im Auge haben und lernen sollte, wie man einen Bienenstock managt. Der aufmüpfige Spross lässt sich von ihrem Traum aber nicht so leicht abbringen. Schon gar nicht vom Psychiater Dr. K, der mit Freudscher Analyse sehr gelehrt an ihren Problemen vorbeiinterpretiert.
Zusammen mit ihrer Freundin, der Hummel Uschi beschließt Elsa also auszureißen und Lehrmeister Ricky Butterfly zu finden um ein Schmetterling zu werden.
Doch die große weite Insektenwelt ist alles andere als freundlich: Elsa und Uschi müssen für die Wespen in der Bar schuften, oder für die Zikade Jenny aufräumen, die Elsa nicht wie versprochen in Tanz und Gesang unterweist sondern mit esoterischen Atemübungen abspeist. Schließlich gehen Elsa und Uschi sogar der Frau Netz auf den Leim. Statt einem Bühnenvertrag unterschreiben sie einen Arbeitsvertrag, der sie – ebenso wie die dort tätigen Ameisen – quasi versklavt. Uschi ist am Verhungern, Elsa will sich wehren und wird prompt von den roten Ameisen als Genossin anerkannt. Doch dieser dauern die Beschlüsse in den diversen Komitees einfach zu lange. Also wird Elsa eigeninitiativ. Sie attackiert Frau Netz, und wird dabei – Überraschung! – von deren treuester Dienerin Maxi tatkräftig unterstützt. Uschi versagen die Nerven, sie wird zur Verräterin, doch am Ende, wenn Elsa beschließt mit ihrer neuen Freundin Maxi nach Hause zurückzukehren, lädt sie auch die Hummel wieder ein. Zum Glück, denn Uschi ist ein echter Sympathieträger – trotz, oder vielleicht gerade wegen gewisser Schwächen. Ein Happy End, das es natürlich gibt, ist ohne sie gar nicht denkbar. Zuvor aber hat Elsa Ricky Butterfly getroffen und damit ihren Traum erfüllt, wenn auch anders, als sie sich das vorgestellt hatte …
Die pfiffige Inszenierung dieser Abenteuer bringen Junots frechen Text, sein erster für ein junges Publikum, kongenial zur Geltung. Wie der pointierte Witz letztlich bei der Zielgruppe der 10 bis 14-Jährigen ankommt, blieb am Premierenabend noch offen, wo er dem – großteils erwachsenenen – Premierenpublikum jedenfalls ein süffisantes Vergnügen bereitete.
Das Ensemble überzeugt rundum mir seiner Spielfreude: Johanna Prosl hält als Elsa durchgehend die Spannung auf der Bühne und lässt nie Zweifel aufkommen, dass die kluge Bienentochter das Zepter auch in misslichen Lagen fest in der Hand hält – auch wenn das Publikum gleich erkennt, dass das Tanz- und Gesangstalent niemals für einen eleganten Schmetterling reicht (Choreografie: Lina Hufnagl, Musik: Jörg Reissner). Die um ihr leibliches Wohl stets besorgte Hummel Uschi wird von Magdalena Mair mit rührender Tolpatschigkeit verkörpert. Jeanne-Marie Bertram, Paul Graf und Michaela Schausberger schlüpfen in rasantem Wechsel scheinbar mühelos von einer Rolle in die nächste. Die Insektenkostüme von Dimitrij Muraschov unterstreichen die Verwandtschaft mit der menschlichen Natur. Sein Bühnebild verwandelt sich im Laufe der 70 Minuten Spielzeit vom düsteren Bienenstock in eine farbige Welt, nachdem die Plastikfolien nach und nach von den Polsterobjekten abgerissen werden. (Vielleicht könnte man hier noch eine nachhaltigere Materialwahl treffen.)
Vor Weihnachten ist diese wunderbare Produktion noch ein paar Mal zu sehen, und es bleibt zu hoffen, dass sie im nächsten Jahr wieder auf dem Spielplan zu finden sein wird.
„Elsas Traum“, Uraufführung am 16. Dezember 2018 im Dschungel Wien. Weitere Vormittagsvorstellungen bis 20. Dezember