Es wird immer mehr zu einer vielbeachteten Tradition: Zu Saisonende kehren die Tänzerinnen und Tänzer des Grazer Opern Balletts ihrem Haus den Rücken, um sich anderswo in der Stadt hautnah dem Publikum zu präsentieren. In diesem Jahr öffnete die Neue Galerie ihre ehrwürdig-ruhigen Räume und überließ diese der Aufmerksamkeit für eine ganz andersartige, für eine flüchtige Kunst: die der Bewegung.
Freilich sollten Ort und Handlung immer in Verbindung stehen. Und so lautete denn auch die Aufgabestellung an die Tänzer, die hier gleichzeitig als Choreographen ihrer Kurz-Stücke fungierten, sich von den Werken der Bildenden Kunst so wie von der Architektur der Räume für ihre Tanz-Interpretationen inspirieren zu lassen.
Acht solcher kreativer Umsetzungen waren an einem jeweils anderen Ort der verzweigten Räumlichkeiten im Rahmen eines „geführten Rundganges“, den Ballettchefin Beate Vollack höchstpersönlich und charmant-ordnungsgebietend leitete, zu erleben. Nicht immer für jeden mit guter Sicht auf das Geschehen, aber dies gehört leider fast mit dazu bei derartigen Ausnahme-Veranstaltungen.
Dass das von den Tänzer-Choreographen Gebotene formal weitgehend dem zeitgenössischen Ballett nahestand, war hingegen nicht unbedingt selbstverständlich, aber nachvollziehbar und dieserart durchgehend mit guter, ja sehr gute Qualität präsentiert.
Auch inhaltlich besonders ballett-affin eröffnet Marina Schmied augenschmeichelnd mit ihrer Choreografie „Constriction“ rund um Annäherung und Entfernung in einer Paarbeziehung. Unmittelbar bezugnehmend auf die einer natürlichen Körperlichkeit sehr fernstehenden Gemälde reagiert Arthur Haas in seinem „PlusMinus – der menschliche Körper als Magnet“ dynamisch-emotional und humorvoll mit zwischenmenschlichen Realitäten in einer Dreier-Konstellation. Interessant auch der choreographische Ansatz in Lucie Hornás „Moving Portraits/Sich bewegende Portraits“, wenn sie in das Statische der Bilder respektive in das coole Nebeneinander zweier Menschen – unterstrichen durch kurzzeitiges, dem Voguing angelehnten Bewegungen – Lebendigkeit zu bringen versucht.
Mit Kraft in der Ruhe füllen in „Von irgendwo her bis irgendwo hin…zusammen“ atmosphärisch dicht Martina Consoli und Fabio Toraldo den streng begrenzenden rechteckigen Raum, den ihnen Toraldo als Choreograph zugesteht: Das geschmeidig Runde ist dem kantig Harten durch Loslassen überlegen - so könnte eine Auslegung dieser beeindruckenden Sequenz lauten. Consoli als Choreographin überzeugt ebenso: In „with bare hands“ interpretieren Stephanie Carpio und Enrique Sáez Martínez konzentriert und mitreißend-berührend ihr individuelles Bewegungs-Vokabular. Das einleitende Solo von Bálint Hajdu in „=“ von Miki Oliveira zieht augenblicklich in den Bann dieses fesselnd bunten Tanz-Gemäldes vom alltäglichen Nebeneinander, Gegeneinander und zeitweiligen Miteinander. Vom Zauber emotional verwurzelter Bewegung zeugt der feinsinnige wie exakte Tanz von Lucie Horná und Paulio Sóvári in „Le Lac“ von Sascha Pieper.
Wie, wo und warum diese und auch die meisten anderen gezeigten Choreografien in den Galerie-Bildern ihre Wurzeln haben, ist für das Publikum allerdings kaum zu ergründen; wie sehr dies ein Manko darstellt, mag unterschiedlich bewertet werden. Im abschließenden „All Together alone“ von Jaqueline Lopez sind es jedenfalls der runde Raum und sein Bodenmosaik, die in die Gestaltung des Ensemble-Stückes einbezogen werden.
Oper Graz in Kooperation mit Neue Galerie Graz: Tänze einer Ausstellung, 18.Juni 2019 in Neue Galerie Graz.