Es ist nicht das erste Mal, dass das Buch der Bücher als Vorlage für ein Musical dient. Regisseur Hanspeter Horner hat für „Halleluja – Die Bibelshow“ gleich das Alte und Neue Testament durchforstet. Die Auswahl offenbart die ganze Wucht menschlicher Grausamkeit mit göttlicher Segnung – verpackt in eine hinreißend hinterfotzige Komödie zur Musik von Franz Alexander Langer.
Wie wichtig die freie Szene für die heutige Kulturlandschaft in Österreich ist, wird gerne vergessen. Doch der über das ganze Land verteilte, rege Kulturbetrieb wäre ohne die Aufbruchsstimmung der Freien in den 1980er Jahren wohl großteils ein touristisch-kommerzielles Unternehmen. Eine Initiative, die im kreativen Freigeist bis heute mit ungebremstem Erfindungsreichtum wirkt, ist das Waldviertler Hoftheater in Pürbach, das von Mai bis Dezember ein Programm mit Eigenproduktionen und sorgfältig ausgewählten Gastspielen bietet. Österreichs nördlichstes Theater führt seinen Namen nicht auf eine aristokratische Tradition zurück. Das Theater ist Teil eines liebevoll umgebauten Bauernhofes mit einem begrünten und blumengeschmückten Atrium, in dem ein Restaurant und eine Sektbar gleichermaßen für leibliches Wohl sorgen. Für das spirituelle Wohlbefinden ist heuer, in der 34. Spielzeit, unter anderem die musikalische Komödie „Halleluja – Die Bibelshow“ zuständig.
Die Erschaffung der Welt wird mit Videoprojektionen anschaulich erklärt, doch die Geschichte von Adam und Eva muss erstmals entfallen. Denn das Show-Paar Ursula und Manfred konnten sich zuvor nicht darauf einigen, wann der gemeinsame Sohn bei wem sein kann. Manfred schmollt erst einmal. Also spielen und singen Ursula (Baumgartner) und Franz Alexander Langer an Keyboard im Schnelltempo über den Mord von Kain an Abel, Sodom und Gomorra und die Geschichte von Lot, der von seinen Töchtern vergewaltigt wird, dass sie Kinder gebären können (als kleines inhaltliches Beispiel des Bestsellers des Abendlandes). Gerade rechtzeitig taucht Manfed (Schwaiger) wieder auf, um unter anderen die Rolle des Moses in „Exodus“ zu übernehmen, der als Remake von Cecil B. DeMilles Film „Die zehn Gebote“ inszeniert ist. Statt tausender Statisten und anderem Getier sind im Waldviertler Hoftheater halt nur zwei DarstellerInnen für die Hauptrollen verfügbar: der despotische Pharao, der leicht dämliche Moses und der gebieterische Gott – gendertranszendiert natürlich. Und Langer hat die strengen Vorschriften in einen Kabarett-Song mit pointiertem Text verwandelt.
Auch im zweiten Teil der Bibelshow geht es Schlag auf Schlag weiter: Ursula liest aus der Gute-Nacht-Lektüre, die vielerorts in Hotels zu finden ist, vor, und wir stellen fest: Die Grausamkeiten von Steinigungen, Tötungen und anderen Rachemethoden lassen jeden zeitgenössischen Krimi-Autor blass aussehen. Danach haben wir Beruhigung verdient: Also bekämpfen David und Goliath einander mit Clownnasen in einem Tischtennismatch. Abrahams bedingungloser Gehorsam steht in der Susan Sontag Show auf dem Prüfstand. „Alles hat seine Zeit“ (Buch Kohelet 3) wird zur Schlagerschulze. Wein fürs Publikum gibt es bei der Hochzeit von Kanaa. Die Reise Jonas ist ein Stummfilm, von Ursula Baumgartner pantomimisch großartig umgesetzt. Und schließlich das gewaltige Finale: die Apokalypse nach Johannes als große Oper, bei dem der „komödiantische Bass-Bariton“ (Eigendefinition) Schwaiger seine Stimme volltönend zum Einsatz bringt und Baumgartner als Hure Babylon noch einen großen Auftritt hat.
Womit das Rad wieder an den Beginn zurückkommt, und die Szene mit Adam und Eva nachgeholt wird. Doch hier fungiert Eva als Rippenspender für Adam. Ein Zeichen der Hoffnung für eine freundlichere Version der Menschheitsgeschichte? Jedenfalls finden Ursula und Manfred nun doch noch zu einer Lösung für ihr anfängliches, privates Problem. Es riecht nach Versöhnung.
„Halleluja – Die Bibelshow“ bietet eine Lesart der religiösen Schriften, die jede Menge Interpretationsspielraum lässt. Sie ruft die heiligen Bücher als Parabel von Macht und Gewalt in Erinnerung, kann aber auch einfach als unterhaltsame Komödie genossen werden. Die Textmontage von Horner und die Vertonungen von Langer sind witzig und scharfzüngig. Original-Bibelzitate werden mit Dialogen im Dialekt vermischt. Als Theater im Theater bricht sich der private Frust der DarstellerInnen öfter die Bahn, und wird das Publikum völlig zwang- und konsequenzlos zum Mitmachen eingeladen.
Ursula Baumgartner ist als Sängerin, Schauspielerin und Tänzerin gleichermaßen hinreißend. Manfred Schwaigers Bariton-Timbre steuert darüber hinaus eine musikalisch feine Note bei. Franz Alexander Langer hat nicht nur als Komponist bei dieser Show aus einem wahren Zauberkasten von Stilen und Melodien geschöpft und ist damit kongenialer Partner des ebenso vielseitigen Regisseurs Hanspeter Horner, sondern auch als Darsteller in dieser Show unentbehrlich. Erich Uiberlacker erzeugt mit Projektionen, Lichteinstellungen, kreativen Bühnenumbauten (der DarstellerInnen) und Requisiten das jeweils richtige Ambiente. Yukie Koji hat, wohl aus diversen Fundi, stimmige Kostüme für die flotte Show gefunden.
Fazit: Ein Ausflug ins Waldviertel lohnt sich ja bekanntlich immer, und für das Waldviertler Theater und diese Eigenproduktion besonders.
„Halleluja – Die Bibelshow“, gesehen am 21. August (Premiere am 15. August 2019) im Waldviertler Hoftheater. Weitere Vorstellungen am 24. August sowie von 19. bis 22. und 26. bis 28. September.