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Wolf3Mit zwei Premieren eröffnete der Dschungel Wien seine 15. Saison: „Wolf!“ der Plaisiranstalt ist eine intelligente Parabel auf Wahrheit und Lüge für Menschen ab 8 – und ein Bravourstück für den Schauspieler Sven Kaschte. Ab 13 sollte „Was ihr Wollt“ von Dschungel Wien & Divercitylab geeignet sein. Fragwürdig, angesichts des Klamauktheaters, das versucht Shakespeares‘ Komödie ins Social-Media-Zeitalter zu verlegen.

„Wolf!“

Was ist wahr? Was ist gelogen? Was ist ein Schmäh? Der Text von Raoul Biltgen geht dieser Frage in einer raffinierten Struktur der Wendungen und Richtungsänderungen nach. Die einfache Geschichte eines You-Tube-Bloggers in der ländlichen Idylle von Alm, Schafen und Bauern wird unter reger Mitwirkung vom Publikum zu einem Vexierbild unterschiedlicher Realitäten. Etwa eine Stunde lang ist Sven Kaschte gefordert – spricht Hochdeutsch, bayerischen Dialekt und Anglosprech, rockt, rappt (naja …), ist jedenfalls mit seinem Publikum ständig in Kontakt (Regie: Paopla Aguilera) und reißt es mit.Wolf2

Irgendwann macht sich leichte Irritation breit, wenn der Witz scheinbar auf Kosten vom Wolf stattfindet. Muss ausgerechnet dieser beinahe ausgerottete Waldbewohner für Späßchen herhalten? Da gäbe es sicher noch ein paar Minuten zu kürzen, um den Rhythmus zu halten. Doch bald dreht sich der Spieß wieder um und die Show selbst bzw. der You-Tuber und Selbstdarsteller Ä$op (sic!), wird in Frage gestellt, bevor am Ende das Ganze noch einmal in die andere Richtung kippt.

Wolf1Man kann freilich darüber diskutieren, ob man die Aufforderung im Programmheft, nämlich selbst zu bestimmen, was wahr ist und was nicht, wirklich unterstützen sollte. Einerseits. Andererseits ist „Wolf!“ so erfrischend, weil es eben nicht moralisierend oder belehrend daherkommt, sondern in einer unterhaltsamen Show ein Thema anschneidet, dem man sich einfach widmen muss. Immer und immer wieder.

„Was ihr wollt“wasihrwollt1

Im zweiten Stück des Eröffnungsabends wird Shakespeares Komödie ins Zeitalter von Tinder und Instagram überführt. Doch während „Wolf!“ food for thought liefert, erstickt die bemühte Shakespeare-Adaption an der kompulsiven Suche nach Gags ohne Mehrwert. Nur wenige sind tatsächlich amüsant. 90 lange Minuten wird ein heillos überzogenes, teilweise vulgäres und over-sexed Spektakel abgeliefert. Politisch korrekt in Bezug zur Genderneutralität der Rollen. Man dreht also Shakespeare noch einmal rum, verpasst den weiblich besetzten männlichen Rollen bunte Haare und Schnurrbärte, und am Ende heißt es: liebe sich, wer wolle. Im Kontext der klassischen Vorlage eine Verdoppelung, die sogar funktionieren könnte, hätte man nicht gar so sehr auf schenkel-klopfenden Lustigkeit getan. (Regie hat übrigens keine geringere als Corinne Eckenstein geführt).

wasihrwollt2So scheint das Ganze ein Insiderwitz von Divercitylab, der Akademie für Schauspiel und Performance zu sein, deren StudentInnen im Publikum die KollegInnen auf der Bühne lautstark akklamierten. Die ZuseherInnen außerhalb dieser Komplizenschaft bleiben da außen vor.

Dschungel Wien, Saisoneröffnung 2019/20 am 20. September