Macht, Intrigen und starke Frauen stehen im Mittelpunkt der Barockoper „Giustino“. Regisseur James Darrah verlegt die Geschichte, die laut Originallibretto in Konstantinopel spielt, in ein gleich benanntes Motel in der Mojave-Wüste. Ihm gelingt in dieser Inszenierung ein geistreicher Überraschungscoup, mit dem sich schließlich auch die grelle und vor Geschmacklosigkeit strotzende Ausstattung von Adam Rigg erklärt.
Giustino fühlt sich zu Höherem als der einfachen Landarbeit berufen. Fortuna verheißt ihm die Erfüllung seines Strebens nach Heldentum. Und tatsächlich: Nachdem er Leocasta, die Schwester, und Arianna, die Frau des Anführers aus den Fängen der Bösewichte rettet, ist ihm Anastasios Belohnung scheinbar sicher. Doch da wittert Amanzio seine Chance und spinnt eine Intrige gegen Arianna und Giustino. Freilich würde das Ganze in ein Happy End münden. Doch Darrah gibt der Geschichte einen raffinierten Spin, der sie in eine Metapher für die derzeitige US-Präsidentenfamilie dreht. Welcher amerikanische Künstler könnte dieser Versuchung widerstehen? Darrah lässt uns allerdings bis zum Schluss glauben, dass die zur Schau getragene Lächerlichkeit und der plumpe Transfer in die 1960er Jahre eine stilistische Schrulle sei.
All das lenkt jedoch nicht von der wunderbaren musikalischen Umsetzung von Händels Werk unter der sorgsamen Leitung von Markellos Chryssicos ab. Großartig interpretierte der Countertenor Rafał Tomkiewicz die Partie des Anastasio, während Meili Li als Giustino sich im Laufe des Abends immer mehr „einsang“.
Das Junge Ensemble Theater an der Wien überzeugte in allen Rollen, besonders bestechend waren Kristjan Johannesson als Amanzio, und Ilona Revolskaya als Fortuna. Jenna Siladies als Arianna war gesanglich ebenfalls tadellos und hatte noch dazu die schwierige Aufgabe ihre Körpersprache gegensätzlich zu ihren Worten zu gestalten. Das irritierte und war doch im Sinne des Ausgangs der Geschichte notwendig. Dieser sei hier jedoch nicht verraten. Denn wer eine musikalisch heitere und witzige Barockoper zu schätzen weiß, dem sei „Giustino“ wärmstens empfohlen.
„Giustino“ am 9. Dezember in der Kammeroper Wien. Weitere Vorstellungen am 14., 18., 21., 28. Dezember 2019 sowie 2. und 4. Jänner 2020.