Aterballetto gastierte mit Johan Ingers Version der Geschichte des „Don Juan“, die am 9. Oktober in Ferrara zur Uraufführung kam, im Festspielhaus St. Pölten. Der schwedische Choreograf versuchte dabei eine weibliche Perspektive einzubringen. Die 16 TänzerInnen der international bekanntesten zeitgenössischen überzeugten jedoch vor allem als dynamische Mover im Kollektiv.
In der Eingangsszene erleben wir die Geburt des Don Juan und den frühen Verlust der Mutter. Am Ende wird sie ihren Sohn (und nicht der Commendatore) zur Rechenschaft ziehen. Danach erzählt Johan Inger die Geschichte des Frauenhelden ziemlich brav nach dem bekannten Drehbuch. In seiner Auseinandersetzung mit der Figur habe ihn aber besonders das Stück von Suzanne Lilar beeinflusst, die dem Mythos aus einer weiblichen Perspektive betrachtet, sagt der Choreograf. Und so werden Zerline, Elvira oder Doña Anna nicht nur als willfährige Opfer gezeichnet, sondern als aktive Herausforderinnen des sexuellen Vergnügens. Doch andererseits, so will es die Geschichte, ist Don Juan eben ein verwerflicher Nimmersatt. Mit der Figur des Leo führt Inger ein Alter Ego ein, der einerseits Komplize für Don Juans Machenschaften ist, andererseits aber unter dessen Intrigen und Machtspielen leidet.
Speziell für dieses Stück hat Marc Álvarez die eher eintönige Musik für Violine, Viola und Cello komponiert, von Curt Allen Wilmer stammt das Bühnenbild mit mobilen Quadern, die einmal als Wand, ein anderes Mal als Liebesstatt fungieren und mit einer Reihe von Grauschattierungen die Stimmung für die jeweilige Szene setzten. Demgegenüber stehen die bunten und vielfältigen Kostüme von Bregje van Balen.
Johann Inger vermittelt das Narrativ des Don Juan-Mythos klar und ohne Abstraktion. Dabei hätte man sich jedoch eine Tiefenschärfung der handelnden Personen gewünscht. Doch Don Juan bleibt in der Interpretation von Saul Daniele Ardillo psychologisch sehr oberflächlich. Vielschichtiger gelingt Philippe Kratz die Zeichnung des Leo. Von den Frauengestalten überzeugt vor allem Ivana Mastroviti als Doña Ana.
In der tänzerischen Umsetzung bestechen bei Johan Inger aber nicht so sehr die Pas de deux, sondern die Gruppenszenen bei der Hochzeit sowie beim Maskenball, bei denen sich die Qualität dieses Ensembles voll entfalten kann. Mit den Raum-greifenden Moves scheinen sie mit der doch großzügig dimensionierten Bühne des Festspielhaus St. Pölten kaum ihr Auslangen zu finden. In diesen Szenen erinnert Ingers Tanzsprache an die Ballette seines Landmanns Mats Ek, der den europäischen modernen Tanz ganz offensichtlich bis heute prägt.
Aterballetto: „Don Juan“ am 24. Oktober 2020 im Festspielhaus St. Pölten