subsTanz, die von Tänzer und Choreograph Xianghui Zeng 2019 in Graz gegründete Kompagnie für zeitgenössischen Tanz, setzt sich in ihrer nunmehr vierten Produktion mit einem dem Tanz in vielfältiger Weise nahen und essenziellem Thema, mit dem des Gleichgewichts, auseinander. Eingebettet sind die konkreten Bezüge in einen abstrakten Rahmen.
Xianghui gestaltet diesen als Solist und gibt damit dem Stück inhaltliche Tiefe; auch dann, wenn er als stiller Beobachter die einzelne Szene der Tänzerinnen (zu zweit, zu dritt, zu fünft) am Bühnenrand verfolgt: Wird er doch immer wieder sichtbar überrascht von der Vielfalt der notwendigen Suche nach Balance, fühlt sich auch bedroht von ihrer Bedeutung und Problematik. Dieser so zu interpretierende rote Faden ist gut gelegt.
Seine solistische Eingangsszene, in der er flexibel, aber doch unentrinnbar festgehalten von einer unsichtbaren Macht (er hängt an einem Gummiband), mit seinem zweiten Ich und um dieses, also um sein inneres Gleichgewicht kämpft, ist tänzerisch gleichermaßen fein wie ausdrucksstark. Optisch und damit thematisch verstärkt durch eine weiße Gesichtsmaske – wie sie auch in 2 weiteren Szenen die 5 Tänzerinnen verwenden. Besonders gelungen, exakt in der Bewegung und Sprungkraft zeigend: sein Tanz mit sich selbst, mit seinem zweiten Ich, also mit der Maske in der Hand. Schön der Bogen, wenn er all den anderen Maskierten vor der letzten Szene die schützende Maske ebenso abnimmt und die Tänzerinnen nun „entblößt“, hilflos suchend über die Bühne irren lässt; über einen für sie nun schwankenden unsicheren Untergrund.
Eindringlich sein Pas de deux mit dem „Phänomen“ (interpretiert als kraftlose, leblose „Puppe“ von einer der Tänzerinnen), das er für sein zweites Ich hält und dem er diese „Rolle“ aufzuzwingen versucht. Bemerkenswert das dabei eingesetzte, von beiden geforderte Bewegungsspektrum.
Die einzelnen Szenen um die konkreten Erscheinungsformen der Balance sind von unterschiedlicher Qualität. Recht überzeugend in der Umsetzung gelingt drei Tänzerinnen der „Kreistanz“. Choreografisch eher showartig aufbereitet und bald an Kraft verlierend das Duett der doppelt Maskierten. Die wohl als Schlüsselszene gedachte Choreografie auf einer (mittels Videos kreierten) schwankenden Ebene mag zwar (auch) durch die zusätzlich eingesetzten grafischen Visuals (Thomas Diemath) manchen faszinieren, bleibt damit und auch durch seine Länge, in der wenig an inhaltlich darstellerischer Vielfalt gezeigt wird, aber auf einer thematisch eher verschleierten, dünnen Ebene. Das Bemühen um Gleichgewicht innerhalb der agierenden Gruppe von 5 Tänzerinnen wird von diesen zwar recht sauber dargestellt; dass es aber eines Störfaktors, symbolisiert durch einen Goldquader bedarf, zeigt umso deutlicher einen Mangel an mehr Kreativität auf. Hier wäre weniger mehr gewesen; also eine Reduktion auf gleichermaßen einfache wie markante, fein abgestimmte, exakte Bewegungen, die dem Können der fünf Tänzerinnen optimal entsprechen.
"Balance" – ein zeitgenössisches Tanzstück von subsTanz, Kristallwerk Graz, am 2. Oktober 2021