„Romy Schneider“ von Ballettchef Enrique Gasa Valga feierte trotz Verschiebung fulminante Premiere im sanierten Großen Haus des Tiroler Landestheaters in Innsbruck. Gasa Valgas Stück ist keinesfalls eine konventionelle Erzählung der Biografie der österreichischen Filmikone, sondern ein intimer Blick in ein unerfülltes Leben. Eine Choreografie, die einen nicht kalt lässt und durch ihre Komplexität mitreißt.
Der Vorhang halb offen. Romy Schneider (Camilla Danesi) steht Zigarette rauchend an ihrem Schminktisch und blickt enttäuscht auf ihr Leben zurück. Es wird klar, dass in diesem Tanzstück aus der Perspektive von Romy Schneider erzählt wird. Romys Lebensgeschichte wurde vielfach von Anderen gedeutet und von der Presse ausgebeutet. Hier wird ihr Lebensdrama getanzt.
Die Schicksalsschläge verfolgten sie wie ein Schatten auf ihrem ganzen Lebensweg als Star. Addisson Ector als Romys personifizierter Schatten tanzt nicht einfach mit, sondern greift in ihr Leben ein. Er bringt Romys selbstdestruktiven Persönlichkeitsanteil tänzerisch gut zum Ausdruck und verkörpert ihren inneren Dämon.
Bekanntermaßen spielte Romys Mutter Magda Schneider eine wichtige Vorbildrolle in ihrer Jugendzeit und organisierte ihre ersten Engagements. Lara Brandi verkörpert sie sehr authentisch als eine Hüterin über die junge Schauspielerin. Auch ihr problematisches Verhältnis zum Nationalsozialismus wird im Stück thematisiert.
Im kollektiven Gedächtnis war Romy immer irgendwie die Sissi. Doch sie selbst wollte immer weg vor dieser Gestalt fliehen. Romy erteilt Sissi und ihrer Familie eine Absage. Sie lehnt das Angebot für den vierten Sissi-Teil ab und löst sich von ihrem Umfeld und Fans in Deutschland. Dieses Motiv wird hier nicht nur gestisch angedeutet, sondern ist auch bühnentechnisch durch das Verbrennen des engen weißen Sissi-Kleids gelöst.
Das reicht nicht aus, Romy muss sich weiter selbst beweisen. Flucht nach Paris. Alain Delon wird Romys größte Liebe sein. Dann gehen sie aber auseinander. In einem leidenschaftlichen Paartanz zeigen die Tänzer Camilla Danesi und Gabriel Marseglia viel tänzerische Sensibilität. Unerwähnt sollte aber nicht die tolle Leistung des Ensembles bleiben, welches wie ein einziger Organismus wirkte.
Helfried Lauckner gestaltet das Bühnenbild sehr situativ und psychologisch. Ein offener Kinostudioraum mit einer tief hängenden Decke mit Studiobeleuchtung erweckt den Eindruck emotionaler Enge. Die leeren Flächen werden für Videoprojektionen (Albert Serrado) genutzt, die ausgezeichnet der dramaturgischen Untermalung dienen. Passend zum Gesamtkonzept sind auch die Kostüme von Birgit Edelbauer-Heiss. Die Stoffe, aus denen sie gefertigt sind, verblüffen durch ihre Leichtigkeit im Tanz.
Gasa Valga beweist mit der Themenwahl für dieses Ballett, dass er das Innsbrucker Stammpublikum gut kennt. Es bleibt jedoch fraglich, ob Romys Talent und Schicksal auch jüngere Menschen ansprechen wird. Gleichzeitig präsentiert er in diesem Stück eine Fülle an modernen Tanztechniken und bleibt doch seinem Stil treu. Das Ballett allein schon durch den Tanz ein Genuss.
Den Höhepunkt des Abends bildet eine sehr komplexe Tanzsequenz zur Debussys „Claire de Lune“, die Romys Lebensmüdigkeit einen sehr poetischen Ausdruck gibt. Hier tanzt Camilla Danesi nicht einfach Romy, sondern man hat das Gefühl, sie ist Romy.
„Romy Schneider“, Uraufführung am 17. Oktober 2021 im Tiroler Landestheater. Weiter Vorstellungen: 21., 22., 23., 30. Oktober, 3., 4., 6., 10., 17., 18., 20., 26. November, 17. Dezember