Begeisterungsstürme und standing ovations, das löste die 252. Schwanensee-Vorstellung mit Olga Esina und Timoor Afshar in der Wiener Staatsoper aus. Der junge Solotänzer des Wiener Staatsballetts gab sein Rollendebut als Prinz Siegfried, während die erfahrene Ballerina einen weiteren Höhepunkt in ihrer Tanzkunst setzte. Das Corps de Ballet steigerte sich von Akt zu Akt zu vollendeter Harmonie.
Eigentlich sollte es ein Wiedersehen mit Jakob Feyferlik geben, der als Partner von Olga Esina als Gast geladen war. Doch der Erste Solist des Bayerischen Staatsballetts musste aufgrund einer Verletzung absagen. Dadurch tat sich für Timoor Afshar die Chance auf, früher als vorgesehen zu zeigen, was er kann, (sein Rollendebüt war ursprünglich für Oktober geplant) – und er nahm die Herausforderung mutig und mit großem Können an. Zwar war ihm, der erst in dieser Saison als Solist zum Wiener Staatsballett kam, im ersten Akt noch die Nervosität ins Gesicht geschrieben. Doch als dieser erst einmal überstanden war, überzeugte er zunehmend in der Rolle: als eleganter Partner für Olga Esina und mit seiner soliden Technik als Solist. Ein weiteres bemerkenswertes Rollendebut gab auch Natalya Butchko als Gefährtin des Prinzen im Quartett mit Anita Manovalova, Giorgio Fourés und Duccio Tariello.
Olga Esina gelingt es auch nach unzähligen Auftritten, die sie als Odette/Odile bereits bestritten hat, noch immer neue Facetten in der Rollengestaltung zu finden, so zum Beispiel im Verführungstanz der Odile. Raffiniert und katzenartig umschmeichelt sie den Prinzen. Diese femme fatale spielt nicht ihre Dominanz aus, sondern agiert aus einer Position der scheinbaren Schwäche. Damit spinnt sie den Charakter der Schwanenkönigin Odette glaubwürdig weiter, die sich zuvor dem Prinzen tieftraurig als Opfer des Zauberers Rotbart (Andrey Teterin) offenbart hatte. Dass diese Ausnahmetänzerin ihre Fouettés und all die anderen Schwierigkeiten der Nurejewschen Choreografie mit brillanter Sicherheit und Strahlkraft ausführt, braucht an dieser Stelle nicht extra erwähnt werden.
Auch die Wellen des Schwanensees, in denen der Prinz am Ende ertrinken wird, gelangen in dieser Vorstellung besonders beeindruckend und dramatisch.
Es verwundert also nicht, dass sich das Publikum im Parkett am Ende der Vorstellung in seltener Einigkeit von seinen Sitzen erhob um die Tänzer*innen und Musiker*innen zu würdigen. Unter der temperamentvollen und umsichtigen Leitung von Paul Connelly entfalteten sich die Klangfarben in Tschaikowskis Musik vielschichtig, von ganz zarten Soli bis grandiosen Orchestermelodien.
Wiener Staatsballett: „Schwanensee“ am 20. Juni in der Wiener Staatsoper. Weitere Aufführungen am 23. Juni sowie in der Saison 2024/25.