Von Schachteln zu träumen, mag hie und da passieren. Mit Schachteln zu träumen, ist schon weniger alltäglich, aber in dieser kreativen Produktion der TanzCompanyELLA in bezaubernder Weise zu erleben. Angekündigt ist „eine installierte Tanztheater-Interaktion für alle Menschen ab 4“.
Und diese Altersempfehlung ist genauso berechtigt - vor allem, wenn ‚etwas Ältere‘, wie empfohlen, ihr inneres Kind hervorholen - wie die etwas ungewöhnliche Beschreibung dessen, was sich da auf der Bühne abspielt und vom Publikum, also von Jung und Alt, mit-gespielt und gestaltet wird. Denn Bühne und Zuschauerraum sind ident und so gilt es diese gleich einmal zu erkunden; dieses Schachtel-Museum, in dem man „Willkommen im Ankommen“ geheißen wird und sich so auch fühlt. Darf man doch hinter jede Schachtel-Ecke, in und hinter jeden Schachtel-Turm nicht nur schauen, sondern auch Schachtel-Wände betreten; in Tiefen von Schachtel-Räumen blicken und dort bunte Papierwelten entdecken, sie sogar vorsichtig angreifen, befühlen, manchmal auch verändern.
Bis, nahezu unmerklich, Bewegung, Leben in diese im Grunde sehr klobig-hölzerne, papierene Welt kommt: Ein schachtelartig gekleidetes Wesen (ideenreich und liebevoll sind Kostüme und Bühneninstallationen gestaltet von Yulia Makarenko) beginnt mit seinen „Artgenossen“ vulgo Schachtelresten zu spielen, zu bauen und die vorerst nur Zusehenden zu eigenem gestaltenden Tun anzuregen. Eine Riesenschachtel beginnt über den Boden zu gleiten, sich umzustülpen und damit sein Inneres, sein erträumtes „Leben“ freizulassen: Hände tasten sich über den Schachtelrand, Füße suchen nach Halt, Augen spähen vorsichtig und erstaunt über den Schachtelrand, ein Rücken erkundet, was hinter ihm sein mag und überschreitet schließlich mutig als Teil eines (Schachtel-)Körpers seine verschachtelten Grenzen.
Beiden Performerinnen, Barbara Krepcik und Sonja Felber, gelingt es durch ihr lockeres Agieren, den leichtfüßigen Fluss ihrer tänzerischen Bewegungen, die sich unvorhersehbar im gesamten Raum und zwischen den etwas weniger unbeschwert agierenden ‚Nicht-Schachteln‘ entwickeln, das Traumhafte des Geschehen zu visualisieren; die noch nicht in der Traumwelt Angekommenen mitzunehmen und anzuregen zu entdeckendem, ausprobierendem, gestaltendem, gelöstem Tun in dieser Schachtel-Traum-Welt. Eine Welt, die gerade durch ihre einfachen Formen fantasieanregend im besten Sinne ist und in wunderbarem Gegensatz zu all der uns umgebenden Reizüberflutung jeglicher Art steht.
Die Gestalterinnen dieser außer-gewöhnlichen, tatsächlich interaktiven Performance – Lilli Angermeier, Astrid Seidler und Evelyn Leissenberger – erschaffen mit den Tänzerinnen einen feinsinnig reduzierter Raum für Gedankenfreiheit und Kreativität, akustisch sanft umspielt von den Kompositionen Martin Pichlers.
TanzCompanyELLA: „Träum, Schachtel“, Premiere am 13. Dezember 2024 im Kristallwerk Graz