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GoldenHoursFrei nach dem diesjährigen Leitmotiv „Back to the Future“ werden KünstlerInnen “Relikte, Spuren und andere Hinterlassenschaften“ in engen und sehr weiten Kreisen kunstvoll-formenreich umrunden: analytisch, lustvoll, kompromisslos, vorzugs- sowie traditionellerweise mit risikobereiter Ernsthaftigkeit – und spielerisch; Intendantin Veronica Kaup-Hasler lässt aus Vergangenem vertrauensvoll auf derartige herbstliche Zukunft schließen.

Altes, Vergangenes und Bestehendes will neu gesehen werden, um Jetziges umfassender zu begreifen und Kommendes anders (vielleicht besser) zu gestalten: Die thematische Basis ist weit, die Intention hoch. Allein, die Genre-Vielfalt des steirischen Festivals, die von A wie Architektur bis W wie Workshops reicht und unter Anderem Dokumentation, Performance, Installation, Literatur, Film, Musik, Diskurs und bildende Kunst umfasst, ist da schon für den einen und anderen nachhaltigen Anstoß gut.

Spartenübergreifend, nämlich Theater, Literatur, Musik und Performance betreffend, könnte bereits die Eröffnungsveranstaltung, die Uraufführung einer „installativen Konzertperformance“, ein erstes markantes Zeichen dieser Art setzen: „Specter of the Gardenia oder Der Tag wird kommen“. Ein „subtiles Wechselspiel von Musik, Text und Film“, das auf einer mehrjährigen Vorbereitung und Zusammenarbeit des Komponisten Johannes Maria Staud und des Dichters Josef Winkler beruht, der in seinem Text, einem Rückblick in seine Kindheit sowie in ahnungsvollen Vorausblicken in unsere Zukunft, zum Generalthema Bezug nimmt.7Pleasures

Der Körper in seinem politischen Aspekt der Wahrnehmung und Funktion als Statement steht bei der dänischen Choreographin und Tänzerin Mette Ingvartsen schon immer im Fokus; in der Uraufführung ihrer „7 Pleasures“ wird in 7 Etappen von ihren zwölf PerformerInnen das Konzept von Nacktheit und Sexualität im Wandel der Zeit hinterfragt.

Vor dem Hintergrund von „Nation Branding“, das Agenturen zwecks Wettbewerbsfähigkeit eines Landes durchführen, ist die Auseinandersetzung der Künstlerformation The Loose Collectiv mit dem Film, mit der Musical Schmonzette „The Sound of Music“ zu sehen und zu verstehen: Sie konfrontieren in ihrem „The Music of Sound“, ebenfalls eine Uraufführung, das Publikum mit Fragen zu Repräsentation und Selbstverständnis so wie zu nationaler Identität.
Eine Erstaufführung im deutschsprachigen Raum ist beim neuen Werk von Anne Teresa De Keersmaeker „Golden Hours(As you like it)“ zu erleben: Eine Erkundung zum kaum fassbaren Phänomen der Zeit und der Vergänglichkeit, eine von Brian Eno und Shakespeare inspirierten Wanderung durch eine Zauberwelt auf dem schmalen Pfad zwischen formaler Abstraktion und greifbarer Gestik.

Vor dieser Produktion, die das dichte Festival-Angebot beschließt, reiht sich insbesondere im szenischen Bereich noch eine geballte Ladung an weiteren Hörens- und Sehenswürdigkeiten: Im Zusammenhang mit den Reflexionen von „The Loose Collective“ ist die Dokumentartheatergruppe Rimini Protokoll und ihr „Adolf Hitler: Mein Kampf, Band 1&2“ ebenso von besonderem Interesse wie, unter gänzlich anderem Aspekt, „Ein Stück vom Vergessen“, in dem Tom Struy Fragen nach fehlender Erinnerung stellt. Von Menschen, die von ihrer Vergangenheit eingeholt werden, erzählt hingegen der dem herbst-Publikum schon bekannte Argentinier Mariano Pensotti, während die Stücke „Suite n°2“ des französischen Theatermachers Joris Lacoste und „Tiny Guy“ des Isländers Friðgeir Einarsson erstmals im deutschsprachigen Raum gezeigt werden. Und selbst außerhalb der Landeshauptstadt braucht man nicht/sollte man nicht nur herbstlicher Farbenpracht in der Natur frönen - wenn auch freilich etwa in Vordernberg der Alltag nicht immer prächtig ist, wie das Theater im Bahnhof in seinem Stück „Black Moonshine“ deutlich macht, in dem das Team sich mit Unternehmertum auseinandersetzt.

TinyGuyMehr dazu und zu vielem anderen mehr ist einerseits auf der Homepage nachzulesen und vor allem im Festivalzentrum, das heuer im GrazMuseum installiert ist, zu erfahren; an einem Ort, an dem einerseits das kritische Hinterfragen von Vergangenem aus gegenwärtiger Sicht Tagesgeschäft ist und wo andererseits das italienische Architekturkollektiv orrizontale eine retro-futuristische Rauminstallation inszeniert.

Steirischer herbst 25. September bis 18. Oktober 2015

Informationen und Karten: www.steirischerherbst.at