Die Ballettschule sollte ursprünglich die schlechte Haltung des Elfjährigen korrigieren, aber bereits nach drei Monaten war absehbar, dass Ballett in Peter Breuers Leben mehr als ein Korrektiv sein würde. Durch die traumatische Geschichte seines Vaters waren die Eltern nicht wirklich von der Berufswahl ihres Sohnes begeistert. Vater Peter Bruno Breuer war zu seiner Zeit ein Wunderkind, das als Jugendlicher bereits Konzerte gab. Als er sich später als Pianist und Dirigent weigerte vor den Nazis zu spielen, wurde ihm die Hand gebrochen und er kam ins KZ. Nun wollte auch der Sohn eine Karriere einschlagen, die ihn von seinem Körper abhängig machte ... Doch schließlich gaben die Eltern ihren Segen, der Vater verlangte nur, dass sein Sohn der Beste werden möge. „Klar doch“, war die Antwort des jungen Talents, und er hielt sein lapidar gegebenes Versprechen. Peter Breuer hat zwar nie Klavierspielen gelernt, aber Musiktheorie und anders nützliches Rüstzeug bekam er als Unterstützung vom Vater mit.
Bereits mit 15 Jahren wurde er ins Corps de ballet der Bayerischen Staatsoper engagiert, dann holte Erich Walter den 17-Jährigen als Halbsolist nach Düsseldorf. Ein Jahr später war er dort bereits Solotänzer, zwei Jahre später begann seine internationale Karriere.
Salzburg als Wirkungsstätte
Auch nach Beendigung seiner Tänzerkarriere ließ Peter Breuer die Begeisterung für den Tanz nicht los. Er bewarb sich an den großen Theatern, an denen er jahrzehntelang als Tänzer engagiert war – Düsseldorf, München oder Berlin – als Ballettdirektor, aber man bedeutete ihm, er möge doch erst an einem kleinen Theater zeigen, dass er das Geschäft versteht. So kam er nach Salzburg – und ist geblieben. „Salzburg hat für mich den Charme und die Vorteile einer Kleinstadt aber den kulturellen wie künstlerischen Anspruch einer Großstadt. Ich habe hier ideale Bedingungen, so bin ich geblieben“, sagt Breuer. Er habe in den letzten Jahren viel aufgebaut und üblicherweise profitieren dann die nachfolgenden Direktoren das, was geschaffen wurde; hier kann er selbst die Früchte seiner Arbeit ernten. „Ich bekomme gutes Feedback, das Publikum ist mit mir zufrieden und ich spüre die Begeisterung“, meint er. „Die ausverkauften Vorstellungen sprechen für sich: Besser kann man es nicht haben“. 20 Schaffensjahre in Salzburg – dieses Jubiläum wurde mit einem Ballettschwerpunkt im Jänner - der ersten Salzburger Ballettwoche gefeiert.
Vom Tänzer zum Choreografen und Ballettchef
Dem am Tegernsee geborenen Peter Breuer gelingt es seit 20 Jahren, als Ballettchef sein Publikum zu überraschen und zu begeistern. „Ich bin akzeptiert“, meint er. „Der versteht uns“, sagt man am Theater über ihn. Vor etwa zwölf Jahren stand es an der Kippe, ob die Compagnie weiter bestehen sollte. Mittlerweile ist eine Abschaffung kein Thema mehr, da sich der Kulturpolitiker Prof. Alfred Winter für den Erhalt des Ensembles eingesetzt hatte. Die kleine, aber feine Truppe ist fixer Bestandteil am Landestheater, wo Oper, Theater und Ballett eine gemeinsame Spielstätte haben. Die 16 TänzerInnen sind wie eine kleine Familie, es gibt keine Hierarchie – an einem Abend tanzt man Solo, am nächsten Tag ist man in der Gruppe. Die TänzerInnen, die sich für Salzburg bewerben, wissen, was sie erwartet und halten fest zusammen. Ein Traum wäre für Peter Breuer eine Aufstockung auf 25 Tänzer um mehr Möglichkeiten für die Umsetzung von Stücken zu haben. Durch die Gründung eines Fördervereins hofft er, dass eine Praktikantenstelle für die Compangnie finanziert werden kann.
Sein Debut als Choreograf gab Peter Breuer, als er wieder einmal eine Einladung zu einer Gala bekam und keine Lust hatte, eine der bei diesen Anlässen üblichen Variationen zu tanzen. So entwarf er kurzerhand für den jungen australischen Tänzerkollegen Paul Boyd und sich eine Choreografie, die sehr positiv aufgenommen wurde: „Die Schritte sind mir einfach zugeflogen“, erinnert er sich an die Anfänge. Kurz darauf entstand in München eine Kreation für Yuri Vamos, Joyce Cuoco, eine weitere Tänzerin und für ihn. Danach kam schon das Angebot für den „Gottgeliebten“, und für Peter Breuer war klar, dass die Choreografie die neue Herausforderung war, seinen eigenen Weg zu finden.
Auf die Frage, welche seiner Werke er als richtungsweisend sieht, fällt es ihm schwer, eine Auswahl zu treffen. Er hat Freude an allen seinen Choreografien und das aktuelle Stück ist immer das wichtigste. Dennoch nennt er „Der Gottgeliebte“ für die Münchner Staatsoper als seine erste wichtige Kreation, die bestimmend für sein weiteres Schaffen war. Ursprünglich für 40 Minuten vorgesehen, machte er gleich 90 Minuten ohne Pause daraus und erweiterte es zum abendfüllenden Werk, als er es 1995 für Salzburg adaptierte. Auch „Peer Gynt“ war ihm persönlich besonders wichtig. Außer den Ballettklassikern, die er beinahe alle für Salzburg bereits choreografiert hat, sind ihm auch Stücke mit psychologischem Hintergrund ein großes Anliegen. Peter Breuer will Geschichten erzählen, und ist an historischen und literarischen Figuren interessiert, die er in seinen Choreografien „Peer Gynt“, „Carmen“, Thérèse Raquin“ bzw. „Nomi“ oder „Marylin“ portraitiert hat. Als Geschichtenerzähler und Garant für Gefühle verbindet er in seinen Kreationen klassisches Ballett mit zeitgenössischen Impulsen und ist damit stets am aktuellen Puls der Zeit.
Unerschöpfliche Kreativität
Wenn ihm ein interessantes Sujet über den Weg läuft – beim Lesen, im Gespräch oder wenn er einen Film sieht, dann macht er sich sofort Notizen und recherchiert genauestens, sobald die Idee konkret wird. Zuerst entsteht bei ihm der Plot im Kopf, danach ergibt sich wie automatisch die passende Musik dazu. Die Ausnahme war „Nordlichter", bei dem das Stück zur Musik von Sibelius entstanden ist. Manche Werke haben sich auch erst dann realisieren lassen, als er die richtigen Interpreten dafür hatte - so wäre etwa „Marylin“ nie entstanden, wenn er nicht Anna Yanchuk für die Hauptrolle gehabt hätte. Für seine „Romeo und Julia“-Version kam ihm zu Gute, dass er in seiner aktiven Zeit als Tänzer sechs verschiedene Versionen und alle drei männlichen Hauptrollen (Romeo, Mercutio, Tybalt) getanzt hatte. In seine Fassung brachte er einen aktuellen gesellschaftskritischen Aspekt ein, indem er das Salzburgische dem türkischen Kulturkreis gegenüberstellt. Ein spannendes Wagnis, bei dem nicht abschätzbar war, wie die Zuschauer diese Form der Auseinandersetzung zweier Familien aufnehmen würden. Doch die Vorstellungen waren stets ausverkauft und haben Breuer in seinem Ansatz bestätigt.
Die Choreografie entwickelt er im Ballettsaal durch die Inspiration durch seine Tänzer. Er erarbeitet eine Struktur, weiß, wo er eine Gruppenszene oder ein Solo möchte, aber die Details entwickelt er direkt mit den TänzerInnen.
In vielen Fällen zeichnet der Choreograf auch für Kostüme, Bühnenausstattung und Lichtregie verantwortlich. Auch die Musik schneidet er oft selbst am PC, wenn es nicht ein Auftragswerk gibt, wie zum Beispiel für „Marylin“. Da konnte er sich wie seinerzeit Marius Petipa noch acht Takte dazu wünschen, wenn er mit den angepeilten vier Minuten nicht auskam oder einen kräftigen Posaunenchorus für den Mittelteil. Zwei Tage später war die gewünschte Musik von Franz- Josef Grümmer dann vorhanden.
Ballettzukunft in Salzburg
Für die nächste Spielzeit hat der Unermüdliche bereits viele Pläne, will aber noch nichts darüber verraten. Nur soviel: Für nächstes Jahr ist eine Choreografie für Karlsruhe geplant. Die Ideen gehen ihm jedenfalls auch nach 20 Jahren nicht aus: „Ich habe noch Vieles in der Schublade liegen“, sagt er schmunzelnd.
Heuer im Mai kommt „Bach ’n’ Drums“ auf der Probebühne Rainberg zur Uraufführung, in die JungchoreografInnen und eine Gruppe Schlagwerker aus dem Mozarteum eingebunden sind. Auch Gastspiele sind fixiert: in Worms und Luxemburg mit „Carmen, in Velbert und Schweinfurt mit einer Wiederaufnahme von „Der Kuss“. In diesem Stück über Camille Claudel und Auguste Rodin steckt übrigens auch viel von ihm selbst drin.
Wünsche? Wieder einmal spartenübergreifend zu arbeiten, würde Breuer reizen. Ein Stück mit „wahnsinnigen“ Tänzern und „irrsinnigen“ Musikern inklusive „verrückten“ Schauspielern – dazu könnte ihm viel einfallen. Auch eine Orff-Trilogie könnte er sich gut vorstellen. Oper allein wäre ihm zu statisch – obwohl „Orfeo“ von Monteverdi würde er sich doch gern noch einmal vornehmen… Pläne für die nächsten 20 Jahre sind also vorhanden.