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Gerlinde1„Tanztalk. Tanz, Theater, Performance und mehr … Ein Sendeformat über zeitgenössischen Tanz. Gerlinde Roidinger im Gespräch mit Tanzschaffenden …“, so tönt es jeden 1. Sonntag im Monat pünktlich um 19 Uhr 07 im freien Radio B 138, begleitet von den sanften Basstönen von Jun Myakes „Lillies Of The Valley“. Dann lädt die an der Musik- und Kunst-Privatuniversität Wien ausgebildete Tanzpädagogin Gerlinde Roidinger VertreterInnen der Tanzszene zu etwa 90-minütigen Interviews.

“Wir sind, was du draus machst“, lautet der Slogan der freien Radiostation B 138, die im Raum Kirchdorf on air geht. Wo Gerlinde Roidinger wohnt und sich angesprochen fühlte. Sie fand, dass es eine Sendung über Tanz geben müsste, nahm an der vom Sender angebotenen Einschulung teil und produzierte im April 2015 ihre erste Sendung mit Tanja Brandmayr, einer Tanzkollegin aus Linz (und Mitarbeiterin von tanz.at).

Als ihre Motivation für dieses Zeit aufwändige und ehrenamtlich durchgeführte Unterfangen nennt Gerlinde eine „Ursprungssehnsucht“, sich besser definieren zu können. Denn: „Wenn mich jemand aus der Region fragt, was ich mache, bin ich oft eigentlich sprachlos. Manchmal bin ich überfordert von dieser Vielfalt, die der Tanz kann, bietet und ist –  wie ein Baum, der einerseits tief verwurzelt ist, oder dann andererseits wieder oberflächlich und flüchtig wie die Blätter, die man gar nicht fassen kann. Also ist Tanztalk der Versuch, das Experiment, über etwas zu sprechen, das mit der Sprache primär nicht zu fassen ist. Denn es ist ja nicht das Ziel des Tanzes, ihn durch Sprache zu erfassen.“

Die Schwierigkeit sich dem bewegten Körper verbal zu nähern, erlebt sie auch bei ihren InterviewpartnerInnen, und wenn sie sich schwer tun, etwas zu formulieren, ermuntert sie sie eher: „Ja, genau das, genau das! Tu dir ruhig schwer mit dem Erklären, genau darum geht es. Dir fehlen jetzt die Worte bei dem, was du machst.“Gerlinde3

Jedenfalls versteht die Moderatorin ihre Aufgabe den Tanz durch Sprache zu vermitteln als eine „Kunstvermittlung bzw. Tanzvermittlung unter Berücksichtigung des ländlichen Raums, nicht auf pädagogisch-tänzerischer Art, aber die man sich (immer wieder) ins Haus holen kann.“ Denn tanztalk zum Nachhören ist jederzeit online abrufbar.

Für Gerlinde ist „tanztalk ein Format, das Tanzschaffende vor allem auch stärken soll. „Viele Menschen arbeiten im Bereich Tanz oftmals alleine … Es erscheint mir daher wesentlich, die Angebote der Interview-PartnerInnen nicht nur anderen zugänglich zu machen, sondern sie auch selbst in ihrem Tun und Wirken zu unterstützen. Es geht also um die Stärkung und Vernetzung des Arbeitsfeldes Tanz, Theater und Performance, um damit die Entwicklung und das Selbstverständnis des Berufsstandes von TänzerInnen, ChoreografInnen, TanzpädagogInnen und TanzvermittlerInnnen etc. zu fördern.“

Gerlinde nennt ihre Serie im Untertitel „Eine bewegte Entdeckungsreise“, denn: „Bei jedem Interview gibt es neue Bereiche, die ich noch nicht gekannt habe, es ist ein neues Finden, Entdecken. Es gibt Menschen, die sind im Tanzbereich tätig auf einem Gebiet, das ich bisher nicht kannte bzw. das ich bisher nicht so präsent hatte. Etwa das letzte Interview mit Klara Pramesberger (vom 3. Juni), die mit Blechblasinstrumentalisten arbeitet. Erstaunlich, wo der Tanz überall Platz hat.“

Auch wenn in den tanztalks hauptsächlich Menschen aus der Region Oberösterreich zu Wort kommen, so sind doch auch immer wieder andere Gäste eingeladen. Auch ich hatte etwa die ausführliche Gelegenheit, im tanztalk vom 6. Mai über meine Arbeit zu sprechen.

Gerlinde2Das „Landei“, als das sich Gerlinde bezeichnet, das sich zwischen ihren bäuerlichen Wurzeln in Kirchdorf an der Krems und der kosmopolitischen, zeitgenössischen Kunstwelt bewegt, manifestiert sich auch auf ihrer Homepage Kunsthenne.com, auf der die rührige Tänzerin ihre Projekte geballt vorstellt, als „Symbol für Kunst und Land, das ich in mir trage“.

Als Performerin sieht sie sich in einem Bereich zwischen Tanztheater und Performancekunst. Diesen Sparten übergreifenden Ansatz bestimmt auch das Projekt „Open Stage“. Dort hat man die Möglichkeit, ähnlich wie beim Wiener Format „ raw matters“ ungeschliffene Performances oder Arbeiten zu zeigen, „etwas, das vielleicht noch nicht fertig ist. Das Angebot ist für Künstler aller Kunstsparten aus der Region. Es gibt ja nicht nur lokale Theatergruppen, sondern auch Schauspieler, die hier wohnen und dann vielleicht einmal auf der Bühne zu sehen sind.“

Zur Zeit ist sie auch mit einem Theaterprojekt in Schulen unterwegs: „Mein Körper gehört mit“ ist ein interaktives Präventionstheaterprojekt, „in dem die Kinder in manchen Szenen ganz stark miteingebunden sind, in denen es primär um Ja- und Nein- Gefühle geht“. Jede Woche leitet sie außerdem einen Improvisationskurs mit Menschen aus Kirchdorf. „Oft sind das Menschen, die auch künstlerisch tätig sind. Wir gehen sehr spielerisch an die Sache heran. Die Frage ist: Wie kann ich mich ausdrücken und weniger, wie ist die Aufgabenstellung gedacht. Es gibt einen Input, ein Task, aber wenn du etwas anderes machst, dann ist das eben dein Ausdruck. Es ist sehr spannend, was dabei alles rauskommt und mit welcher Präsenz die Menschen einfach da sind.“

Die Tänzerin sieht sich selbst eher als jemand, der langsamer auf Vorgaben reagiert und solch persönlichen Eigenheiten möchte sie eben auch in ihrem Unterricht ermöglichen. Vielleicht ist es ja gerade diese „Langsamkeit“, die die ausführliche Interviewführung möglich macht, die wohl ein einzigartiges Merkmal von tanztalk ist. 

Jeden 1. Sonntag im Monat um 19:07 im freien Radio B138 auf 102,3 und 94,2 MHz oder via Live-Stream und zum Nachhören

Ihre Bacherlor-Arbeit "Der freie Tanz in Linz" hat Gerlinde Roidinger in der Students' Corner auf tanz.at vorgestellt.