Am Grazer Opernhaus ist mit dieser Saison so manches neu und so auch das Label „Ballett Graz“ für die Ballett-Compagnie, der Dirk Elwert nunmehr als Direktor vorsteht. Wesentlich ist für ihn dabei, mit dieser Bezeichnung die Eigenständigkeit dieser Kunstsparte am Haus dem Publikum bewusst zu machen: Gibt es doch die Sparte Oper Graz sowie die als eigenes künstlerisches Ensemble agierende Sparte Ballett. Dass es diese nunmehr zu füllen gilt, bezeichnet er als eine seiner Aufgaben.
Elwert hat Theaterwissenschaft als „Parkstudium“ studiert, eine sehr körperbetonte Schauspielausbildung gemacht und hat, als „der vom Tanz“, die Bühnenreife. Nach zahlreichen Zwischenstationen an mehreren Bühnen und in unterschiedlichen Rollen bzw. Funktionen wurde er letztendlich als Ballett-Dramaturg an die Städtischen Bühnen Nürnberg berufen, wo er gewissermaßen als endgültigen Einstieg in das weite Feld des Bühnentanzes das Libretto und damit eine völlig neue Ballettfassung für „Cinderella“ schuf.
Dirk Elwert ist nun in Graz weder Tänzer noch Choreograf, sondern als Direktor ein auf viel eigener, unterschiedlichster praktischer (Tanz-) Erfahrung sowie theoretischem Wissen und weltweiter Vernetzung aufbauender Tanz-Enthusiast, dem es um die Vermittlung dieser Kunstsparte geht, um individuelle Förderung von Profitänzern, aber auch um Motivation junger, am Tanz interessierter Menschen.
Dass er es als ‚Tanz-Vermittler‘ in Graz nicht ganz leicht habe, sei für ihn durchaus etwas irritierend: Wenn etwa in Bern, wo er sein letztes Engagement hatte, bei Tanzpräsentationen keine 90%ige Auslastung erreicht wurde, fragte man sofort nach dem, was falsch gemacht worden sei. Diese Frage war angesichts der allgemeinen Publikumsauslastung legitim. Doch in Graz, wo Tradition ihren festen Platz habe, gäbe es dieses Publikum für zeitgenössische Formen (noch) nicht, auch wenn es eines für klassisches Ballett gäbe. Er, der es sich nicht einfach machen will, wolle aber mehr: Er habe dabei insbesondere zeitgenössisches Ballett vor Augen. Denn auch wenn klassische Trainingsformen eine sehr gute Basis seien, habe sich in den letzten 20 Jahren sehr viel in der Ballett-Technik entwickelt und wurde Wesentliches von anderen Tanzbereichen aufgenommen. All dies sowie der wertschätzend feinfühlig Umgang mit dem eigenen Körper, der DAS Instrument jedes Tänzers ist, sollen verstärkt in den Fokus rücken: individuell auf das jeweilige Potential jedes einzelnen Tänzers abgestimmt. Dieses Potential zu erkennen, zu entwickeln und entwickeln zu lassen so wie auszuschöpfen, das ist Elwerts vordringliche Kompetenz und sein ebensolches Anliegen. Schließlich sprenge der Tanz besonders gut die Bühne, komme am schnellsten über die Rampe. Verbunden sei damit für ihn das Ziel, ein (größeres) Publikum mitzunehmen auf eine Reise dorthin, wo sich Tanz als „Ursprache des Menschen“ vermittelt: Als Ausleben und Sichtbarmachen von dem, was tief im Menschen bewegt, jenseits jeder Verbalsprache ist. Keine andere Kunstform habe, laut Elwert, eine Direktheit wie der Tanz; keine gehe so tief hinein und löse derartiges an Wesentlichem aus. Der Anfang ist mit Marguerite Donlons "Orlando" ja durchaus überzeugend gelungen (tanz.at berichtete).
Die 18 Tänzer der Compagnie – sechs von ihnen sind neu von ihm engagiert – sind für ihn „künstlerische Mitgestalter“. Sie werden für die vier Tanzproduktionen diese Saison jeweils vier bis fünf Wochen lang mit sechs Choreographen konfrontiert; mit sehr unterschiedlichen künstlerischen Handschriften also, was immer wieder herausfordernd sein wird. Die Compagnie ist schon jetzt eine andere als vor drei Jahren und wird dank all der Änderungen unter der neuen Leitung, die aber sehr wohl auch auf Gegebenes zurückgreift, noch verstärkt eine andere werden. Etwa auch durch Workshops, die den Tänzern, unabhängig von den Bühnenproduktionen, angeboten werden.
Eine Opern Ballettschule, wie es sie gab, entspricht nicht Ewerts Erwartungen an eine derartige Institution. Sehr wohl aber gibt es in Anlehnung zu OperAktiv ein TanzAktiv in zweierlei Form: Movers -die Jugendtanzgruppe, in der wöchentlich trainiert wird und die eine Abschlussaufführung zeigt; außerdem werden Hobbykurse für Tanzbegeisterte aller Altersklassen und in verschiedener Form angeboten.