In Horst Koeglers Standardwerk „Friedrichs Ballettlexikon von A–Z“ (Friedrich Verlag, Velber bei Hannover 1972) ist Eva Bernhofer unter den neun aufgenommenen österreichischen Choreografinnen zu finden (die anderen sind Gertrud Bodenwieser, Rosalia Chladek, Erika Hanka, Katti Lanner, Dia Luca, Margarete Wallmann, Josephine Weiß und Grete Wiesenthal), ihr vor nunmehr sechzehn Monaten erfolgtes Ableben hatte jedoch keinen einzigen publizierten Nachruf zur Folge! Mit gebührendem Bedauern ob dieser Unterlassung sei das Versäumte hier nachgeholt.
Die Tänzerin und Choreografin Eva Bernhofer starb am 22. März 2023 im 96. Lebensjahr in Wien. Man könnte sie als „akademische“ Tänzerin an der Wiener Staatsoper bezeichnen, hatte sie doch ihre Ausbildung nicht nur an der Ballettschule des Hauses, sondern auch an der von Grete Wiesenthal geleiteten Tanzabteilung der Akademie für Musik und darstellende Kunst erhalten. An der Wiener Staatsoper von 1945 bis 1973 engagiert, wurde sie ein Jahr vor ihrer Pensionierung ehrenhalber in den Rang „Koryphäe“ erhoben. Zwischen ihrem Elevinnendebüt als „Baby“ in Wallmanns „Weihnachtsmärchen“ 1936 und ihrem Abschied 1972 als „Altgräfin“ in Hankas „Hotel Sacher“ lagen zahllose Auftritte in Balletten der beiden genannten Choreografinnen sowie in Werken von Josef Hassreiter, Helga Swedlund, Grete Wiesenthal, Michail Fokin, Dimitrije Parlić, Erich Walter, Aurel von Milloss, Wazlaw Orlikowsky, Léonide Massine und Rudolf Nurejew.
Ihr Debüt als Choreografin feierte Eva Bernhofer 1962 mit dem Volksopernballett bei den Kapfenberger Kulturtagen mit einem wie für die „Stahlstadt“ geschaffenen Ballett, Sergej Prokofjews „Le Pas d’acier“. Der kulturellen Aufbruchsstimmung der späten Sechzigerjahre entsprach ihre Werkwahl für das Nachtstudio der Wiener Festwochen 1966, „Nach der Reihe“ (Musik: Otto M. Zykan) und ihre bar jeden Respekts erfolgte Behandlung des „Mayerling“-Stoffs (Musik: Joannes Martin Dürr). Repertoirebeständig war 1967 ihre Sicht auf Pjotr Tschaikowskis „Nussknacker“ am Städtischen Theater Heidelberg; aufmüpfiger Natur waren ihre Arbeiten für das Staatstheater Braunschweig 1970 und 1971 – „Ballet rheumatique“ und „Schmäh …“. Davor hat sie für die Einstandspremiere des Balletts des Theaters an der Wien 1968 in einem Bühnenbild von Wolfgang Hutter Jean Franҫaix’ „Des Kaisers neue Kleider“ beigesteuert. Zur Spielzeit 1972/73 als Ballettmeisterin an das Opernhaus Graz berufen, stellte sie dort ihr „Entrée“ zur Musik von Darius Milhauds „Le Bœuf sur le toit“ an den Beginn des gemeinsam mit den Gastchoreografen Karl Musil und Gene Reed bestrittenen ersten Ballettabends, der auch ihr letzter bleiben sollte – „atmosphärische Störungen“ mochten die Ursache ihres rasch erfolgten Abgangs aus der Murstadt gewesen sein.
Eva Bernhofers Vielseitigkeit – sie betrieb auch ein Schauspielstudium am Max Reinhardt Seminar – offenbarte sich besonders glückhaft in ihrer Eigenschaft als „Wiesenthal-Tänzerin“. Die große Choreografin und Lehrerin betraute ihre Schülerin Bernhofer 1949 an der Akademie mit der Hauptrolle in einem autobiografisch zu verstehenden Tanzstück, das den Traum einer „Ballerine der Achtzigerjahre“ von einer neuen Tanzform zum Thema hatte. Parallel zu ihrer Verpflichtung im Staatsopernballett war Bernhofer auch Mitglied der Tanzgruppe Grete Wiesenthal und wurde 1947 dazu ausersehen, in der einst von Wiesenthal kreierten Rolle des Zwerges in Franz Schrekers „Der Geburtstag der Infantin“ aufzutreten; 1949 unternahm sie mit der Tanzgruppe eine mehrmonatige Gastspielreise nach Südamerika. Tänzerin bei Wiesenthal zu sein, war für ein Mitglied der Familie Bernhofer nichts Außergewöhnliches: Schon Evas Mutter, die Hof- und Staatsoperntänzerin Bea Opek, hatte 1919 und 1920 im Ensemble der Wiesenthal mitgewirkt, und Evas Tante, die Staatsopernkoryphäe und Hermine-Elßler-Stipendiatin Leni Opek, wurde von Wiesenthal 1946 in der Neueinstudierung ihres „Taugenichts in Wien“ in der Volksoper gleich in mehreren Rollen eingesetzt!
Einem breiten Publikum wurde die Choreografin Eva Bernhofer in der frühen Zeit des Österreichischen Fernsehens durch ihre Gestaltung der fünfzehnteiligen Werbe-Serie „Ein Glas voll Schwung“ bekannt. Interpretin dieser gemeinschaftlich mit Otto M. Zykan entstandenen Tanzminiaturen war Christl Zimmerl.