Der schwedische Alexander Ekman zählt mit seinen 31 Jahren zu einem der begehrtesten Choreografen zwischen London und Sidney, Dresden und New York. Endlich darf sich auch Wien in die Liste der von Ekman Begeisterten einreihen. Umschlossen von Hans Van Manens „Sonate für Hammerklavier“ und „Bella Figura“ von Jiri Kylián aus dem Repertoire des Wiener Staatsballetts, hat am 9. Mai „Cacti“ Ekmans erfolgreichstes Tanzstück Premiere.
„Cacti“ („Kakteen“) befindet sich mitten unter Freunden, hat doch Ekman seinen Tänzer-Körper zuletzt als Mitglied des NDT (Nederlands Dans Theater) gestählt, dort wo Kylián als Chef 25 Jahre choreografiert hat und auch Gründungsmitglied Van Manen, übrigens auch mit 83 noch überaus rege, als künstlerischer Leiter und Choreograf tätig war. Ekman allerdings gab das Tanzen bald auf – „Ich fühlte, dass das meinen Körper nicht gut .“ – und wendete sich der Choreografie und dem Yoga zu „Ich war in Indien und bin ausgebildeter Yoga Lehrer. Doch Yoga ist ja nur eine Vorübung zum meditieren. Jetzt meditiere ich.“ Soll gut gegen Stress und Arbeitsunlust sein.
1000 gelbe Entchen. Nachdem er bei einem Workshop des NDT durch „sein Talent und den individuellen, originellen Stil“ aufgefallen war, hat der junge Mann in kurzer Zeit bereits mehr als 40 Ballette kreiert, davon auch einige abendfüllende. „Letztens habe ich ,Schwanensee’ gemacht, eigentlich ein Ballett über ,Schwanensee’, denn ,Schwanensee’ zur Tschaikowsky-Musik gibt es ja schon, das muss ich nicht mehr schaffen.“ Also hat er in Oslo zur Musik von Mikael Karlsson 1000 Plastikenten auf 5000 Liter Wasserschwimmen lassen. Auch die TänzerInnen dürfen plantschen, dass die Fontänen spritzen.
Gern hält der mehrfach preisgekrönte Jungstar es auch mit klassischer Musik, lässt die schwerst arbeitenden TänzerInnen auch zu Beethoven oder Vivaldi pfeifen und trommeln. Für seinen 2010 geschaffenen Tanz-Hit „Cacti“ hat er Franz Schuberts Presto aus dem Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ ausgewählt, arrangiert für Orchester von Andy Stein und für Streichquartett von Gustav Mahler. Eine Sonate aus Joseph Haydns Orchesterwerk „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ und das Andante aus Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr 9 C-Dur verwendet Ekman für die kurzen ruhigen Teile des furiosen Stückes. Das Streichquartett darf mit den 16 TänzerInnen mittanzen, wie auch 16 Podeste, deren weiße Oberflächen für grafische Effekte sorgen und das diffizile Licht von Dooeuf Bernik. Er hat auch für die Umsetzung von Ekmans Bühnenbild-Ideen gesorgt.
Volle Kraft voraus. Nachdem der der 21Jährige 2005 beim Internationalen Choreografie Wettbewerb Hannover gleich zwei Mal einen Preis eingeheimst hat, war er nicht mehr zu bremsen. Nach einem einjährigen Gastspiel als Co-Choreograf beim NDT ist er jetzt freischaffend und arbeitet mit vielen Compagnien und für Festivals. Erstaunt ist er über den weltweiten Erfolg nicht, doch von Inspiration hält er nicht gar so viel: „Meine Werke haben viel mit Handwerk zu tun.“ Und auch an „Sport“ darf dabei gedacht werden.
Zuviel erzählen sollte man nicht über Ekmans Tanzstücke, denn sein choreografisches Prinzip ist „Überraschung“. Deshalb sind Fragen nach seinen Vorbildern obsolet. Dann aber nennt er doch: „Pina Bausch und Peeping Tom“. Mokieren kann er sich darüber, dass er als „Genie“ bezeichnet wird. „Was ist den das ein Genie? Ich bin ein harter Arbeiter.“ Fragen beantwortet Alexander Ekman gern mit Gegenfragen, um zu sagen, was ihm am Herzen liegt. Also lautet die Frage nicht „Meditieren Sie, um Kräfte zu sammeln?“ oder „Haben Sie Angst, dass Ihnen die Ideen ausgehen?“ (Immerhin wird in fünf Jahren sein Œuvre auf nahezu 100 Werke angewachsen sein, behält er das Tempo, in dem er Tanzstücke, auch im Film und in der Werbung, aus dem Boden stampft.) Sondern: „Woher kommen die Ideen? Wo sitzt die Inspiration?“ Und ergänzend: „Was ist denn Kunst? Was ist ein Künstler, ein Genie.“ Die Antwort bleibt er schuldig, doch das ist Methode. Schließlich ist es auch edler zu fragen, als Antworten zu geben. Die muss das Publikum selber finden.
Fragen statt Antworten. Auch Fragen nach den Prinzipien seiner Choreografien, nach einer bestimmten Bewegungssprache oder Grundsätzen, fordern die Gegenfrage:„Warum choreografieren?“ Darauf gibt es eine ausgiebige, ja begeisterte Antwort: „Um das Publikum in Erstaunen zu versetzen, um es zu berühren, aus dem Alltag heraus zu lösen und auch ihm etwas über sich selbst zu erzählen. Um es zu inspirieren und zu beeindrucken.“ In diesem Sinn hält er seine Stücke auch für „unterhaltend.“ Wobei er nach mehr nahezu 15 Premieren, die er in aller Welt mit „Cacti“ gefeiert hat, auch weiß, dass sein Humor und seine Art zu unterhalten nicht überall gleich geschätzt und verstanden werden. Den Tänzern und Tänzerinnen, die alle den selben rasanten, ja furiosen Bewegungsabläufen folgen müssen, jedenfalls, so meint er, gefällt, was er macht: „Es ist so etwas anderes, als alles, was sie bisher gemacht haben. Ich habe schon das Gefühl, dass sie es mögen.“
Gerne hört er sie in den ersten Probenphasen auch ihre Meinung an, denn „Choreografie ist ja nicht nur, Schritte und Armbewegungen zu erfinden, sondern auch schwere Teamarbeit und Kommunikation. Und ich will dass sich die Tänzer mit mir wohl fühlen.“ Und mit diesem Bekenntnis darf man Alexander Ekman durchaus ernst nehmen. Immer kann man sich dessen aber nicht sicher sein. Was zum Beispiel bedeuten die Kakteen, die tatsächlich jede Tänzerin, jeder Tänzer umarmen müssen? Oder die aus dem Himmel fallende Katze? „Kakteen sind Kakteen. Es ist wie es ist. Und man darf sich ruhig fragen: ‚Warum?’ Das Unerwartete ist das Spannende. Alles dürfen meine Stücke sein, nur nicht langweilig.“ Über Tanz, der ihn langweilt, hat er einiges zu sagen. Doch das wird nicht weiter erzählt.
Van Manen | Ekman | Kylián, Premiere am 9. Mai 2015, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Weitere Vorstellungen. 13., 15. Mai; 10., 12. Juni 2015.