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03 DanceHistoryTourIn die Münchner Biennale für zeitgenössischen Tanz kann man in diesem besonderen Jahr komplett digital eintauchen. Grenzüberschreitend – noch bis zum 16. Mai. Sogar den Klassiker des Festivals, die „Dance History Tour“ zu Ereignissen und Orten der Münchner Tanzgeschichte kann man diesmal bequem vom heimischen Sofa aus absolvieren (ab 11. Mai, Video in demand). Sie wurde kurzfristig um auf Film übertragene Auftritte von Tänzerinnen und Tänzern des Bayerischen Junior Ballett und der Münchner Elizabeth Duncan-Schule erweitert. 

01 SergeAimeCoulibalyNeuentdeckungen und Choreografen, die in ihren Ländern nicht gefördert werden, kommen dann 2023 wieder an die Reihe, sagt Künstlerische Leiterin Nina Hümpel. Serge Aimé Coulibaly aus Burkina Faso, der als Tänzer bei Alain Platel und Sidi Larbi Cherkaoui engagiert war, ist dennoch zum ersten Mal dabei. Ein Künstler, dessen Arbeit zwischen Afrika und Europa durch die Pandemie radikal in Frage gestellt wird. So bereitet er aktuell die Uraufführung seines spannungsgeladenen Solos „Fitry“ für den Tänzer Jean Robert Koudogbo Kiki in seiner Heimat für den Video-Stream (13./14. Mai) vor. Eine von insgesamt vier (geplant waren fünf) Kooperationen mit den Münchner Kammerspielen – und definitiv ein Überraschungspaket.01 TheUrge

In „Two for the Show – All for One and One for the Money (extended choreographer’s cut)” trifft Spitzentanz auf Gaming und muss mit Chats und zukaufbaren Streams konkurrieren. Der Zuschauer wird dazu animiert, ständig zwischen mindestens vier Spielebenen und den digital parallel auf seinem Bildschirm aktiven Happenings hin und her zu jetten. Das ist schier erschlagend! Damit spiegelt die neueste, am Schauspielhaus Köln herausgebrachte und gerade um eine 25-minütige, furios-abstrakt getanzte Eingangssequenz für das Ballet of Difference erweiterte Produktion von Richard Siegal die momentane Multikomplexität einer so live nicht erlebbaren „Kulturlandschaft“ perfekt wider. Ein gestreamter Hybrid-Live-Mix mit filmästhetisch und im Raum immerhin grandios inszenierten Tänzern. Zudem ein tolldreistes, technikirres Format – auch wenn am Ende nichts Halbes und nichts Ganzes dabei rüberkommen mag.

01 NinaHuempel„Vergangenen Sommer haben wir angefangen, die Pandemie und mögliche Einschränkungen mitzudenken. Da hatten wir Anne Teresa De Keersmaekers „The Goldberg Variations“ gebucht. Als bombensichere Eröffnung, die keine Einreiseregelung weghauen kann“, holt Hümpel aus. Allerdings funktioniert diese Produktion nicht, wenn man sie einfach abfilmt. Eine künstlerische Entscheidung wie sie auch die Münchner Choreografin Anna Konjetzky im Zusammenhang mit ihrer szenisch-bildgewaltig inszenierten Kreation „Wut“ getroffen hat (1 Mai/16. Mai: Video-Steam). De Keersmaekers on stage ersetzen nun drei Filme, die die Arbeit der renommierten belgischen Choreografin aus verschiedenen Perspektiven beleuchten: „Mitten“ (7. Mai), „Hoppla“ (8. Mai) und „Rain“ (9. Mai) – jeweils flankiert von einem Artist Talk. Ähnlich angepasst bzw. im digitalen Ersatzraum aufgefangen hat man die ausgefallenen Gastspiele von Emanuel Gat und Raimund Hoghe. Unbedingt empfiehlt es sich, die übersichtliche Festival-Website zu Rate ziehen, um die Bandbreite der freien und einmaligen, kostenpflichtig buchbaren Veranstaltungen im Auge behalten zu können.01 LOVETRAIN2020

„Seit November hatten wir vier Planstufen zu Anreise, Theaterauslastung und Streamingoption für jede einzelne Produktion; arbeiteten aber ganz lange auf eine zumindest halbanaloge Ausgabe hin.“ Das Live-Gastspiel „North Korea Dance“, für das die Südkoreanerin Eun-Me Ahn im Internet Videos von Militärparaden, Fächer-Tänzen, viriler Athletik und bunter Folklore des nordkoreanischen Nachbarn studierte, wurde vor zwei Monaten abgesagt. „Wir zeigen nun am 10. und 11. Mai die Filmvorführung des 2018 entstandenen Stücks. Im Anschluss bin ich mit Eun-Me Ahn online zu einem Live-Gespräch verabredet.“

02 NorthKoreaDanceNeben neuen digital-aufregenden Projekten lag ein Schwerpunkt auf Live-Performances im öffentlichen Raum. Angedacht waren – außer Ceren Orans Uraufführung „The Urge“ simultan aus München, Berlin und Köln (Live-Stream 8. Mai) – insgesamt drei Stücke des israelischen Tänzerduos Sheinfeld & Laor sowie zwei Projekte der New Yorker Choreografin Jody Oberfelder (auf 2023 verschoben). Dieser analoge Festival-Teil ist am 24. April endgültig kollabiert, als die Corona-Notbremse der Bundeskanzlerin in Kraft trat. 02 BigMout

Immerhin gehört das Duo Niv Sheinfeld und Oren Laor mit Kollegin Keren Levi zu den wenigen Tänzern, die tatsächlich in München vor Ort sind. Zu dritt werden sie die 2009 gemeinsam entwickelte Choreografie „Big Mouth“ im Schwere Reiter ohne Publikum aufführen (Live-Stream 12. Mai). Ihr bereits 2015 bei DANCE vorgestelltes Signaturwerk über Partnerschaft „Two Room Apartment“ aus dem Jahr 1987 wird in einer eigens produzierten Lecture-Performance (Live-Stream 16. Mai) Niederschlag finden. Außerdem sind die beiden am 14. Mai beim diesjährigen Online-Symposium zu Gast. Unter dem Motto „Articulate! Activate! Protest!“ werden dort in Vorträgen, Gesprächsrunden und künstlerischen Interventionen die eigentlich für jedes Festival zentralen Fragen thematisiert, wie sich Künstler in diesen polarisierenden Zeiten politisch artikulieren, mit Nähe und Distanz oder der Klimakrise umgehen sowie unsere bzw. ihre Geschichte und Flüchtlingsproblematiken weltweit aufgreifen. Folgerichtig betont Nina Hümel, dass „die Produktionen insgesamt doch wesentlich politischer geworden sind oder sich aktuell sozialkritischer lesen lassen.“

02 WorksInSilenceEine weitere Rolle spielt das Thema Alter, dem DANCE 2021 in Kooperation mit den Kammerspielen eine Werkschau des 2015 in Berlin gegründeten Ensembles Dance On für Tänzer über 40 widmet. Mit Choreografien der Amerikanerin Lucinda Child („Work in Silence“, Video-Stream 8./9. Mai), des in Berlin lebenden Libanesen Rabih Mroué („Elephant / You Should Have Seen Me Dancing Waltz“, Live-Stream 15. Mai) und des Belgiers Jan Martens. 17 Tänzerinnen und Tänzer zwischen 16 und 69 Jahren vereint seine Uraufführung „any attempt will end in crushed bodies and shattered bones“. Sie alle waren zum Festivalauftakt am 6. Mai live aus Brügge zugeschaltet. Jan Martens Stück ist am 7. Mai noch einmal zu sehen.02 anyattempt

Den Abschluss bildet ein bis in den August hinein abrufbares Finale – undenkbar unter Normalbedingungen:die kurzfristig aus dem Boden gestampfte und in nur fünf Tagen realisierte Online-Premiere von Richard Siegals „New Ocean Sea Cycle: Pinakothek Ed. 1/14 – Barents“ aus der Pinakothek der Moderne (am 16. Mai auf Arte Concert). Der tanzende Körper tritt hier in einen Dialog sowohl mit der Raumarchitektur als auch mit der dort befindlichen Skulptur HOWL. Zusätzliche Klammern sollen zu ökologischen Fragestellungen wie der globalen Erwärmung führen und in ein mathematisches Choreografie-System eingepasst sein. Ganz schön ehrgeizig. Man darf gespannt sein.

01 MaudAllanAktuelles Festivalprogramm mit Infos auch zu Ticketkauf bzw. Zugangslinks zu den kostenfreien Filmbeiträgen und Künstlergesprächen digital unter https://www.dance-muenchen.de/de/spielplan

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