In ihrer dritten Saison als Tanzchefin am Linzer Musiktheater hat Roma Janus einen Coup gelandet und zwei der angesagtesten Choreografen für das Ensemble Tanz Linz engagieren können. Emanuel Gat und Sidi Larbi Cherkaoui sind von Gastspielen mit ihren Compagnien hierzulande bestens bekannt, nun werden erstmals mit einem österreichischen Ensemble zusammenarbeiten.
Seit sie die Compagnie übernommen hat, hat Roma Janus solide Aufbauarbeit geleistet. In den letzten Jahren hat Tanz Linz bereits mit unterschiedlichen Choreografen zusammengearbeitet, zum Beispiel für Neuinterpretationen von klassischen Stoffen mit Chris Haring, Andrey Kaydanovskiy oder Caroline Finn. Nun sei es “eine neue Herausforderung und eine große Chance für die Company, mit den größten Choreografen der Gegenwart zusammenzuarbeiten zu dürfen; eine große Gelegenheit für das Linzer Publikum, große Namen und Handschriften kennenzulernen. Und eben nicht als Gastspiel, sondern mit der eigenen lokalen Compagnie“, sagt Roma Janus. In der Zusammenarbeit mit dem belgisch-marokkanischen Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui und dem israelisch-französischen Künstler Emanuel Gat werden sie noch einmal auf einen anderen Level gebracht. In jedem Fall ist es eine respektable Anerkennung für die tänzerische Qualität von Tanz Linz, wenn derartige Künstlerpersönlichkeiten die Einladung annehmen. (Übrigens werden beide mit ihren Compagnien in dieser Saison auch im Festspielhaus St. Pölten gastieren.)
Bis jetzt war das Repertoire auf Eigenkreationen für die Compagnie aufgebaut, diesmal bringen die Choreografen bereits existierende Stücke mit, die für Tanz Linz adaptiert werden. Das sei eine Ausnahme, sagt Janus: „Das wird in Zukunft nicht weiter so praktiziert, sondern das Landestheater Linz hat seinen Schwerpunkt weiterhin auf neuen Kreationen.“
In diesem Fall fiel die Entscheidung in Absprache mit den Choreografen. Als Emanuel Gat die Bühne des Musiktheaters Linz sah, fand er, dass er auf ein Stück zurückgreifen wollte, von dem er weiß, dass es funktioniert. „Immerhin sind ja 11 bis 12 Vorstellungen geplant, in einem Haus mit einer Zuschauerkapazität von 1000 Plätzen, das ist schon eine Herausforderung. Die Entscheidung fiel dann auf ‚Lovetrain‘, weil es ein Stück ist, das toll auf das Publikum wirkt und auch auf die Tänzer. Emanuel Gat lässt ja nicht einfach etwas einstudieren, arbeitet nicht mit Video, sondern entwickelt die Choreografie mit den Tänzern. Das heißt, er wird das Stück, das er ursprünglich mit 14 Tänzern kreiert hat nun auf 17 Tänzern erweitern und mit ihnen in Linz arbeiten. Das Set, die Musik des britischen Duos Tears of Fears und die Kostüme werden aus der Originalproduktion übernommen.“ Am 26. Oktober wird „Lovetrain 2.0“ zur Premiere kommen.
Den Dialog mit Sidi Larbi Cherkaoui begann Roma Janus vor über einem Jahr in München und nach mehreren Treffen fiel die Wahl auf zwei Stücke, die mit dem Brucknerorchesters unter der Leitung von Marc Reibel im Musiktheater am 1. März 2025 zur österreichischen Erstaufführung kommen werden: Die Musik zu „Fall“, das 2015 für das Opera Ballet Vlaanderen entstand, stammt von Arvo Pärt, für „Orbo Novo“ von Szymon Brzóska (Uraufführung 2009 mit dem New Yorker Cedar Lake Contemporary Ballet). „Es ist ein großes Projekt mit aufwändigen Stücken und einem neuen Stil zu erlernen. Ein Stück dauert 40, das andere 60 Minuten, die an einem Abend aufgeführt werden. ‚Fall‘ ist technisch sehr herausfordernd, bei ‚Orbo Novo‘ kommt auch noch Text dazu.“ Der Abend entsteht in Zusammenarbeit mit der Tanzakademie Oberösterreich, die vom ehemaligen Tanz Linz-Mitglied Ilja van den Bosch geleitet wird und deren junge Studierende die Linzer Compagnie auf 24 Tänzer*innen aufstocken werden.
Für den dritten Abend in der Saison 2024/45 in der Blackbox unter dem Titel „Living Room“ hat Roma Janus den Nachwuchschoreografen Giovanni Insaudo bei der International Competition Hannover entdeckt, der eine neue Kreation mit den Linzer Tänzer*innen erarbeiten wird. Das zweite Stück wird von Ensemblemitglied Katharina Illnar mit dem New Yorker Tänzer S.Arthur Sicilia choreografiert. (Premiere am 18. Mai 2025)
Tanz Linz wird in der Stadt sichtbar
Wie versiert die Tänzer*innen der Linzer Compagnie mittlerweile auch als Choreograf*innen sind, konnte man zum Abschluss der vergangenen Saison in der Performance „What is Remaining“ in Zusammenarbeit mit der Studierenden der Abteilung Zeitbasierte und Interaktive Medienkunst der Kunstuniversität Linz im Ars Electronica Center erleben. Zu den beeindruckenden Visualisierungen und Sounddesigns der Studierenden entwarfen die Tänzer*innen Matteo Cogliandro, Yu-Teng Huang, Hinako Taira, Pedro Tayette Tanzkompositionen, die sich grandios in das digitale Ambiente einfügten.
„In erster Linie sind wir ein Repertoirehaus, der Fokus liegt auf dem Programm im Haus, und auf spartenübergreifenden Projekten“, erklärt Janus die Ausrichtung von Tanz Linz. „Darüberhinaus versuchen wir auch aus diesem institutionellen Rahmen hinauszugehen und das Linzer Publikum mit dem zeitgenössischen Tanz vertrauter zu machen. Es gibt in Linz diesbezüglich eine gute Tradition und eine freie Szene, aber es gibt eben auch die Compagnie am Theater, die wir mit Kooperationen sichtbar machen wollen. Wir hatten eine Zusammenarbeit mit Lentos, mit dem Ars Electronica Centre, wir werden auch beim Ars Electronica Festival dabei sein. Das soll auch ein jüngeres Publikum ansprechen.“ Das ist mit der oben erwähnten Aufführung im restlos ausgebuchten Deep Space 8 K im Ars Electronica Center eindeutig gelungen. Weitere Aufführungen finden dort am 4. und 6. September im Rahmen des Ars Electronica Festivals statt.
Roma Janus hat das Tanz Linz Ensemble fest im zeitgenössischen Sektor verankert und übernimmt bei jeder Produktion die Dramaturgie. „Wir sind keine Ballettcompagnie“, sagt sie. Ihr Ziel sei es auch nicht in jeder Saison Stars einzuladen, sondern für künstlerische Vielfalt zu sorgen und „gute Stücke für das Musiktheater, große Titel mit Orchester, von Choreografen mit unterschiedlichem Hintergrund“ zu bieten.