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Die Jahrbücher der Gesellschaft für Tanzforschung sind Standardwerke für die tanzwissenschaftliche Literatur. Jedes Jahr wird ein anderes Thema unter die Lupe genommen und nach allen Richtungen erforscht. Bei der Themenwahl hat sich die Gesellschaft immer an zentrale Aspekte des Tanz gehalten. „Tanzforschung & Ausbildung“ war das Thema des Jahres 2008, „Tanz, Bewegung & Spiritualität“ ist der Titel des Bandes 2009, in dem der Mitherausgeber Thom Hecht schreibt: „Die Tanzwissenschaft hat sich als interdisziplinäre Wissenschaft etabliert. Obwohl sich die einzelnen Bereiche der Tanzwissenschaft immer weiter spezialisieren und damit eigentlich voneinander weg bewegen, ebnet gerade diese Spezialisierung einer zunehmenden Vernetzung und Integration von und mit sowohl benachbarten Disziplinen als auch weiter entfernt scheinenden Grundlagenfächern den Weg um den Tanz und die Tanzwissenschaft von multiplen Winkeln akademisch zu beleuchten.“
In diesem Sinne wird das Thema Spiritualität im weitesten Sinn interpretiert. Das Jahrbuch 2009 ist vom interdisziplinären, kulturspezifischen, bewegten und historiografischen Standpunkt aus gegliedert. Die akademischen Beiträge in dem Buch (jeweils mit einer weiterführenden Literaturliste versehen) sind daher breit gefächert und reichen von Beispielen aus dem Bühnentanz im weitesten Sinne über Tanztherapie, Kulturgeschichte, Gender Studies bis zur Tanzgeschichte. Dieser vielfältige Ansatz macht das Buch zu einer lohnenden und abwechslungsreichen Lektüre.
Der Begriff Spiritualität löst sich dadurch von seinen esoterischen und New-Age-Konnotationen und wird als der geistige Aspekt, der dem Tanz immanent ist, verstanden. So schreibt etwa Assia Maria Herwazinski in ihrem Text „Spiritualität in sozialen Tanzprojekten“ über den britischen Choreografen Royston Maldoom: „Die Motivation des britischen Tanzpädagogen Royston Maldoom kann durchaus als ‚spirituell' im Sinne individualistischer, verinnerlichter geistiger Haltung bezeichnet werden, die es ihm ermöglicht, unerschütterlich an die Fähigkeit jedes einzelnen Menschen zu glauben.“
Ohne die spirituelle Grundlage gäbe es die von Rudolf Steiner entwickelte Eurythmie nicht, der in diesem Band ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Aber auch viele Tanzpioniere am Anfang des letzten Jahrhunderts waren in ihrem Schaffen von einer spirituellen Mission erfüllt. In diesem Buch stehen dafür beispielhaft Ruth St. Denis, Mary Wigman und Rudolf Laban.
Die Spurensuche reicht aber bis in den Gegenwartstanz und führt zu Anne Teresa de Keersmaeker, die sich vom chinesischen „Buch der Wandlungen. I Ging“ inspirieren ließ und dies in ganz anderer Weise als Merce Cunningham.
Natürlich hätte man mit Beiträgen aus kulturspezifischen Tanzritualen ein ganzes Buch füllen können. Dagmar Ellen Fischer und Thom Hecht beschränkten sich auf die brasilianische Tradition des Candomblé und Batuque. Eine gute Wahl, denn die afrobrasilianischen Riten sind noch heute fest in der brasilianischen Gesellschaft verankert und lebendig.
Insgesamt birgt dieser Band sicher nicht nur jede Menge Food for Thought, sondern auch viele Ansätze, die zur Diskussion auffordern.

 

Dagmar Ellen Fischer und Thom Hecht (Hg.)
Tanz, Bewegung & Spritualität
Henschel Verlag
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN: 978-3-89487-648-7

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