Der Autor Johannes Odenthal und der Protagonist Koffi Kôkô haben über 30 Jahre einen Dialog geführt. Der deutsche Kulturkritiker hat sich also intensiv mit dem Tänzer und Priester aus dem westafrikanischen Benin beschätigt. Diese Auseinandersetzung dokumentiert er in dem Buch „Passagen. Der Tänzer Koffi Kôkô und die westafrikanische Philosophie des Vodun“.
Der Titel evoziert nicht nur die Durchlässigkeit der Kulturen, die in Kôkôs Tanz seinen Ausdruck findet, sondern auch die Schlüsselproduktion „Passage“, mit der er 1984 seinen internationalen Durchbruch schaffte. Durch eine zeitgenössische Bühnensprache machte er die spirituelle Dimension des Vodun (besser bekannt als Voodoo) für das westliche Publikum lesbar. Seither ist er auf internationalen Festivals als Performer und Lehrer weit gereist. Seinen Wohnsitz hat er in Frankreich.
Das Buch „Passagen“ ist aber weit mehr als eine Tänzerbiografie, es ist auch mehr als eine ethnografische Forschung über die animistische Naturreligion. Es ist eine historisch-philosophische Betrachtung über die Kulturgeschichte Afrikas und das kulturelle Gedächtnis. In Essays, Tagebuchnotizen, Gesprächen und Besprechungen einiger der 40 Choreografien bzw. Bewegungsrituale von Koffi Kôkô entspinnt sich eine dichte Interaktion, in der sich europäische Philosophie und afrikanische Traditionen reiben. Einerseits versucht Odenthal im Rahmen seiner kulturellen Prägung das Weltbild des Vodun zu verstehen. Die Beschreibung von Reisen, von Begegnungen, die Interviews und Literaturverweise geben der Leserin Einblick in die Gedankenwelt des Autors, nehmen sie mit in den Prozess des Übersetzens des Autors in seinem Bemühen, das Wesen von Kôkô Bühnensprache zu begreifen. Deren Eindringlichkeit wird in dem 206 Seiten starken Band mit wunderbaren Fotos belegt.
Aufgrund der Vielfalt des gesammelten Materials und der Literaturbezüge ist „Passagen“ keine leichte Lektüre. Wer aber in eine andere (Tanz-)Welt eintauchen will und Tanz als Wissensquelle versteht, dem gibt dieses Buch eine Fülle an Informationen und schlägt Methoden vor, die kulturelle Diversität im zeitgenössischen Bühnentanz zu erforschen.
Zum Beispiel reflektiert ein Kapitel des Buches „die produktiven Konflikte" während der Entstehung des Stückes „Mistral“, einer Zusammenarbeit von Koffi Kôkô mit Susanne Linke. Sie wurde von den Kuratoren des Projektes ausgewählt, da sie die Traditionslinie des Ausdruckstanzes vertritt. Bei den Proben offenbarten sich grundlegend unterschiedliche Ansätze. Während der Ausdruckstanz die innere Welt des Körpers repräsentiert, tritt Kôkô in „einen Dialog mit den Energien der Natur und der Gesellschaft“, in dem der Körper „potentiell als neutrale Existenz“ fungiert. In diesem Sinne sind Kôkôs Bühnenrituale durch eine intuitive Bewegungssprache in einem „metaphysischen Raum“ charakterisiert. Susanne Linke erklärt ihre Arbeit durch die Bewegungsdisziplin, die sie in der Folkwangschule gelernt hat. Sie rede im Unterricht nie über Themen, sagt sie, denn: „Auf der Bühne helfen kein Reden und kein intellektuelles Wissen. Der Körper muss funktionieren“. Im seinem intellektuellen Diskurs schlägt Odenthal die Verbindung zu einem Text von Michel Foucault und führt damit eine dritte Ebene ein.
Johannes Odenthal „Passagen. Der Tänzer Koffi Kôkô und die westafrikanische Philosophie des Vodun“, Alexander Verlag, Berlin, 2018
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Passagen: Der Tänzer Koffi Kôkô und die westafrikanische Philosophie des Vodun