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Madl ballettChristoph Mandl hat sich im reifen Alter entschlossen, eine Tanzausbildung zu machen, über die er in der  tanz.at-Serie „I, move“ schreibt, im 2. Teil geht es um Blut, Schweiß und Tränen: 
Die Lieblingsformation meiner Jugend war so, wie das Lebensgefühl eines Siebziger-Jugendlichen. Kein Auge blieb trocken, Blut erstarrte in den Adern und so manche Träne quoll aus trunken-verschwollenen Augen. 

Fünfzig Jahre später holt man sich den Kick anderswo. Beispielsweise in einer tanzpädagogischen Ausbildung. Gottseidank fand mein erstes Chladek-Abenteuer-Wochenende noch im echten Leben statt. (Und nicht downgelocked online, wie die beiden folgenden). Nervositätsmäßig erinnerte mich der erste Chladek-Schultag ein wenig an den ersten Tag in meinem von Sadisten beherrschten Gymnasium. 

Ich wusste aus zuverlässigen Quellen: ich werde nicht nur der Allerälteste– nein, ich werde in dem Damenflor auch das einzige Maskulinum sein. Dass Herren generell eher selten in Tanzstudios zu sehen sind, findet oft in mehreren Fakten seinen Niederschlag. Zum Beispiel in der Zahl der Toiletten. Als Quotenmann steht mir genau eine halbe Kabine zu (Piktogrammmäßig eine Dame und ein halber Herr). Gottseidank wurde mir bislang aus der 100-Prozent-Nutzung (noch) kein Strick gedreht. Dafür habe ich als Herrengarderobe etwa sechs Meter und dreißig Haken alleine zur Verfügung. Bin tolerant, es ist dies ja auch nur der Durchgang zur Damengarderobe.

Gegenüber der charismatischen Lará Buhl, in deren Nürnberger Studio ich vergangenen Sommer Contemporary studieren durfte, aber doch ein Ausstattungsplus: dort bildete der Dusch-/Abstellraum die Herrengarderobe.

Doch darum geht es ja auch gar nicht. Rosalia Chladeks Vestalinnen haben sich für das erste Ausbildungswochenende zwölf Stunden ausgedacht, die es in sich haben: Körperbildung, Bewegungslehre, Bewegungsgestaltung, Theorie. 

Wie soll ich sagen: ich hätte, um den alten Körper zu regenerieren, gerne mehr als nur die zwei Stunden Theorie gehabt, also mehr als zwei Stunden sitzend und zuhörend und schreibend. (Und irgendwie hegte ich den Verdacht, dass auch so manche jugendlich-flotte Kommilitonin nicht böse darüber gewesen wäre). 

Besonders angetan hatten es mir gleich von Anfang an Rosalias sieben Raumebenen. Bislang dachte ich ja immer nur, ich sei „am Boden“ am schwächsten. Dank Chladek weiß ich nun aber: ich bin gleich auf mindestens drei Ebenen ganz ganz schwach, und während die Tanzaspirantinnen rund um mich mühelos von Ebene eins bis Ebene sieben und retour schweben, entwirft mir mein inneres Selbstbild den am Rücken zappelnden Maikäfer: keine schöne Yogafigur!

Demnächst: Disziplin, hier bin ich!

Zuvor: I, Move (1)