Harrells Polsterschlachten, Childs Staubfänger, Charismatiker. Ein bissl geht es mir während der Impulstanzwochen immer wie einem verwöhnten Kind, das in seinen Spielsachen nur mehr baden kann, weil es sonst unter ihnen verschwindet. Noch dazu dieses Jahr, im vierzigsten, dem Jubiläumsjahr.
Also untergegangen bin ich nicht, und die Freude hat auch ganz stark überwogen. Shinichi Iova-Koga war einer der daran Beteiligten. Der Amerikaner zeigte uns Dragon Dao Yin, eine fernöstliche Bewegungstechnik, weniger fad als Qi Gong, weil die Struktur expressiv und erschöpfend ist und statt innerer Einkehr mehr ein innerer Kehr-Aus stattfindet.
Als meiner Göttergattin dann auch noch Geburtstagskarten für Lucinda Childs und Robert Wilsons „Relative Calm“ in den Schoß fielen, war das Glück groß. Um so größer der Absturz, mir kam es vor, als hätte man das Stück aus den 1980ern in einer alten Pfanne aufgewärmt, ohne Prise von Ironie, ohne kleinstes neues Gewürz. Der Staub wirbelte und dazu passten die narzisstischen Pausenlesungen, in der die Tanz-Ikone herself Texte von Nijinsky rezitierte.
Meine dem modernen Tanz sehr ungnädig gegenüberstehende Göttergattin gab dem Stück in meinen Augen den Todesstoß, indem sie meinte: „War eh net so schlimm“.
Leider war die göttliche Gattin nicht dabei, als im Odeon Ayelen Parolins „Ruda“ gegeben wurde, in dem drei clowneske Tänzer in Cunningham-Manier herrlich komisch-spritzig menschliche Schwächen persiflierten. Dem anwesenden Karl Regensburger hätte ich von der letzten Reihe aus gerne zugerufen: „Eine gute Einstiegsdroge für alle Neulinge zeitgenössischen Tanzes!“ Überhaupt: wäre es nicht eine feine Zuwaage des Festivals, würde man Distanzierten, aber Interessierten, ein paar einführende Veranstaltungen widmen? – Die müssen ja nicht gleich wieder abschrecken, indem man sie „Lecture performance“ nennt.
Weh hat es auch getan. In mehrfacher Hinsicht. War ich doch eingeschrieben bei der tollen Eva-Maria Schaller, Zeitgenössische, aber auch Replikantin des „klassischen“ Modernen Tanzes. Leider verdrehte sich auf dem sonst als Basketball-Arena genutzten Studio auf der Schmelz mein rechtes Knie dermaßen, dass es für den Rest der Woche Schluss mit Lustig hieß und sich E.-M. Schaller für mich in Rauch (das Wortspiel musste jetzt sein) auflöste.
Marie Chouinards farbenfrohes und von Atemgeräuschen begleitetes Stück „M“ lenkte stark vom Knie ab. Ähnlich wie bei Parolin herrschte Dynamik und Virtuosität, denn man merkt schon ein bisschen, ob die Tänzer*innen das Getanzte selbst auch gerne tanzen.
Um nachzusehen, wie denn mein Knie auf zeitgenössisches Ballett reagieren würde, stellte ich mich vor dem Museumsquartier bei Eva-Maria Kraft zum Public Move auf. Diese großartige Tänzerin schaffte es, in eineinhalb Stunden 70 unterschiedliche Leutchen zu einer kleinen Choreo zu bewegen. (Kleiner Insider-Tipp: Eva-Maria gibt in ihrem wunderbaren Wiener Studio alle möglichen Tanz-Kurse).
Maggie the Cat von und mit Trajal Harrell und seiner Truppe ließ mein Herz höher schlagen. Das Südstaatendrama „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennessee Williams vertanzt und gedanklich weiter gesponnen, zu einem voguen-ballettesken Chaos mit dick bepolsterten Entfesselten hin choreographiert. Ein Fest.
Der diesjährige Impulstanz-Austragungsort, das Unisportzentrum Auf der Schmelz, konnte für mich leider nicht das Campusflair des Arsenals ausstrahlen, wo die vergangenen Jahre die Workshops über die Bühne gegangen waren.
Mindestens gleich blieb allerdings meine Begeisterung für Peter Jasko und seinen Workshop „Deep Movement Consciousness“. Ich Wahnwitziger hatte diesmal bei meinem lieben Freund Peter, nachdem ich früher mehrere Male die Basics bei ihm studiert hatte, die „Advanced“-Klasse gebucht. Eine Woche lang jeden Morgen die Angst, zu alt, zu fett, zu langsam zu sein – die sich jeden Vormittag auflöste, nachdem ich Peters zuversichtliches, begeistertes Gesicht und seine ersten Moves wahrgenommen hatte. Technik – ja schon. Aber das tiefe Körperwissen, das der charismatische aus der Slowakei stammende und nun in Montreal lebende Künstler mit uns in Bewegung umsetzt, lässt die Synapsen ebenso wie die Muskulatur Hochschaubahn fahren. Wegen seiner kleinen Kinder verlässt er Kanada nur mehr selten. Ich habe ihn inniglich um Online-Tutorings gebeten.
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