Speziell von Menschen (sagen wir gleich: Männern) meines Alters, die mit Tanzen nix am Hut haben, kommt immer wieder die von maliziösem Grinsen begleitete Ansage: „Hach, wie erotisch ist DAS denn!“ Und wenn sie erst hören, dass ich als einziger Mann in einer Elfer-Damen-Klasse Tanzunterricht nehme, oder oft gar als einziges Mannwesen in der Ballettstunde mit gut 30 meist sehr sehr jungen Damen an der Stange hänge – dann gibt es kein Halten mehr und testosterongetränkte Phantasien schlagen Purzelbäume.
Nein, Leute, vielleicht seid ihr in der Gedankenwelt der 68er hängen geblieben, als in Kommunen zum Beispiel der Begriff „Ausdruckstanz“ ganz andere Bedeutungen erlangte.
Freilich, es gibt sie, die Erotik im Tanz. Wer zum Beispiel Sally Potters „Tango Lesson“ gesehen hat, wird es wissen. Und natürlich viele viele Schmusetänze, mit denen in den Discotheken und Partys, zumindest früher einmal, Anbahnungen zwischenmenschlicher Dimension stattfanden. Selbst die ersten höfischen Tänze dienten mitunter zur Verabredung später folgender adeliger Saubarteleien.
Doch reden wir vom sogenannten künstlerischen Tanz. Da geht es um bergeweise Mühe und Schweiß, manchesmal auch um (ganz und gar nicht erotische) Tränen. Um Anstrengung. Wenn mir also meine - geschätzt 20jährige - Stangennachbarin beim Dehnen die zierlichen Zehen Richtung Gesicht entgegenstreckt, bin ich sehr mit mir selbst beschäftigt, anstatt mit ihrer vermeintlichen Anmut (und ihr geht es umgekehrt erst recht so).
Oder beim Modernen Tanz, wo der Bewegungsansatz gezielt und definiert „von wo“ kommen und genau „dorthin“ gehen soll. Muskulärer Einsatz, Konzentration und Training sind vonnöten, damit etwas weitergeht.
Kein Zweifel, dass Tanzen zu den Formen höchster Lust zählt. Allerdings: Lust an der Bewegung, an der Schöpfung neuer Moves, am Gelingen nach teils langem, zähem Üben. Gemeinschaft und Freude mit und an Partnerinnen und Partnern, die diese Lust teilen.
Also, hinein in den Tanzherbst, mit Freude und Schweiß!
Zuletzt Werbung in eigener Sache: Gemeinsam mit meiner Tanzkollegin Marianne Bäck gestalte ich in der Volkshochschule Wien Brigittenau Butoh-Workshops (demnächst schon, am 28. und 30. Oktober): www.vhs.at/de/e/brigittenau.
Wenn Sie mir schreiben möchten, bitte, sehr gerne: