Nach der Wiederaufnahme von „La Fille mal gardée“ beim Wiener Staatsballett sah man in der Vorstellung vom 28. Dezember wohl die Idealbesetzung für dieses Ballett. Mit ihrer uneingeschränkten Spielfreude und ihrem Rollenverständnis überzeugten Maria Yakovleva (Lise), Mihail Sosnovshi (Colas) und Richard Szabó (Alain). Eine Klasse für sich war Eno Peci als Witwe Simone – clever, verschmitzt und doppelbödig verkörperte er en travestie die strenge Mutter mit dem weichen Herz.
Maria Yakovleva geht ganz in ihrer Rolle als störrisches Mädchen, das nur ihren Colas im Sinn hat, auf. Als ihre Mutter den tollpatschigen Kretin Alain ins Heiratsspiel bringt, dann ignoriert sie diesen nicht einmal. Im Pas de trois ist sie so präzise, dass das Lächeln auf ihrem Gesicht stets nur ihren Geliebten und Alains Blick immer auf eine steinerne Miene trifft. Yakovleva tanzt souverän und lässt sich von de technischen Tücken nicht aus dem Rollenkonzept bringen. Mit eleganter Leichtigkeit gelingt ihr etwa die Attitude Promenade, bei der sie von den Bändern der Corps-Tänzerinnen gehalten wird. Mihail Sosnovshi interpretiert Colas als reifen, vielleicht sogar abgeklärten Burschen, der sich seiner Geliebten sicher ist. Und seine Partnerin kann sich bei den trickreichen Hebungen auch sicher fühlen. Hier wird nicht gewackelt oder gezaudert, es sitzt jeder Griff. Und freilich lässt sich Sosnovschi auch nicht lange bitten, wenn es darum geht Bravour zu zeigen. Seine Variationen tanzt er mit leidenschaftlichem Einsatz.
Einen interessanten Ansatz fand auch Richard Szabó für die Rolle des Alain. Wo andere zu Übertreibungen tendieren, nimmt er sich eher zurück. Die Konsequenz, mit der er den Charakter gestaltet, überzeugt im Laufe des Abends immer mehr. Tatsächlich braucht dieser Alain keine übertriebenen Grinser, um seine Beschränktheit zu demonstrieren. Szabós Interpretation macht sichtbar, wir akribisch Frederick Ashton sie in Bewegung gesetzt hat.
Der Choreograf hätte wohl seine wahre Freude an Eno Peci als Witwe Simone gehabt. Denn wie sich Peci in die Rolle der Mutter eingearbeitet hat, sucht seinesgleichen. Mit ihm wird dieses harmlos-heitere Ballett zu einem doppelbödigen Statement, wird die Travestie Teil des Spieles. Peci sitzt der Schalk im Nacken, etwa wenn er als Witwe Simone einen Versöhnungskuss von der Tochter einfordert und der Tänzer dabei zugleich der hübschen Kollegin ein Busserl abluchst. Derartige Spielereien blitzen in beiden Akten immer wieder auf – nur für kurze Momente, aber immer treffsicher. Bei Peci ist der Holzschuhtanz eine krönende Zugabe für eine durchwegs intelligent angelegte Charakterauslegung.
Auch das Ensemble hat inzwischen die Schwierigkeiten der Tänze mit den Bändern im Griff und tanzte durchwegs sehr animiert und gut gelaunt. Ebenso wie das Orchester unter der Leitung von Paul Connelly, das den heiteren Melodienreigen von Ferdinand Hérold beschwingt musizierte.
Wiener Staatsballett: „La fille mal gardée“ am 28. Dezember 2015 in der Wiener Staatsoper. Letzte Vorstellung am 20. Jänner 2016