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Agecompany2Mit einem dreitägigen Festival feierte die Age Company, Wiens erstes Ensemble für ältere TänzerInnen, ihr zehnjähriges Bestehen mit Gästen und Gleichgesinnten. ALTERnative TANZ war auch das erste Festival seiner Art in Wien. Dass es ausgerechnet im Dschungel, dem Wiener Theaterhaus für junges Publikum stattfand, ist hoffentlich zukunftsweisend.

Ein Merkmal des aktuellen künstlerischen Tanzes ist, dass er sich vermehrt die Themen Inklusion und soziale Verantwortung auf seine Fahnen heftet. Immer mehr Menschen entdecken den Tanz als einen Weg ihr Wohlbefinden zu steigern. Sie sind aktiv, lassen sich auf einen kreativen Lernprozess ein, knüpfen neue oder pflegen bestehende soziale Kontakte, kurz, tanzen ist ein Geben und Nehmen auf kognitiver, körperlicher und emotionaler Ebene. Das beschäftigt nicht nur Tanzschaffende, sondern auch Sozialwissenschaftler, Ärzte und Neurologen, Studien liefern Hinweise auf die positive Wirkung von Tanzen auf die Gesundheit und den sozialen Zusammenhalt. In jedem Alter. bodyfocus2

Dieses Wohlbefinden erleben die Mitwirkenden dieses Festivals wohl durch die Bank. Die Performance der Age Company unter der künstlerischen Leitung von Nicole Berndt-Caccivio, die aus einer Zusammenstellung aus bisherigen Produktionen das Festival eröffnete, konnte ich leider nicht sehen. An den beiden darauffolgenden Tagen gab es ein Programm mit je drei Kurzstücken von Gastensembles.

HamburgHave a Body! Dance!

Für den zweiten Abend war die Gruppe My Way mit 14 Mitgliedern aus Hamburg angereist, die mit bunten Handtüchern hantierten. Die Wirbelnden Weiber unter der Leitung von Julia Danzinger brachte Material aus sechs Produktionen in einem Medley zusammen. In beiden Stücken war das Alter ein Aufhänger, auch wenn es für den Stückverlauf nicht bestimmend schien, und der Workshop-Charakter war dominierend.Harmen

Der Trend, dass heute immer öfter reifere TänzerInnen auf der Bühne stehen, steht freilich auch in krassem Gegensatz zum Jugendkult dieser Kunstform. Harmen Tromp – unter anderem langjähriges Mitglied des Tanztheater Wien und bis heute als Lehrer und Tänzer aktiv – ist da ganz realistisch und will kein Loblied auf den Alterstanz singen. In der Mini-Talkshow mit Liz King zeigte er einerseits, dass er auch mit fast 70 Jahren nichts von seiner Tänzer-Eleganz eingebüßt hat. Andererseits gab er unumwunden zu, dass er sich als Zuseher doch lieber von der Energie des Jugendensembles des NDT2 (Netherlands Dance Theatre) , mitreißen lässt, als – bei allem Respekt – die älteren TänzerInnen des NDT3 zu bewundern.

Aichinger3Das ist zwar neurologisch mit dem Phänomen der Spiegelneuronen zu erklären, durch das im Zuschauer eine körperliche Reaktion ausgelöst wird. Doch Tromps Eingeständnis setzt auch die partizipativen, künstlerischen Arbeiten in einen professionellen Kontext: Bühnentanz muss das Publikum erreichen.

How to have a dancer's body?bodyfocus1

Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet zwei PionierInnen des zeitgenössischen Tanzes in Wien, Manfred Aichinger und Liz King, sich seit gut zehn Jahren mit der tänzerisch-choreografischen Arbeit mit Laien auseinandersetzen. Aichinger leitet mit „Catch the Moment“ ein Forschungsprojekt über künstlerische Verfahren- und Vermittlungsformen im zeitgenössischen künstlerischen Tanz ab 55+ im Rahmen des Studiengangs Tanz an der Musik und Kunst Privatuniversität Wien. Liz King leitet im Burgenland die „Body Focus Group“ mit Menschen zwischen 45 und 74 Jahren. Als ChoreografInnen geht es ihnen darum, die TänzerInnen im Sinne ihrer künstlerischen Vision zu trainieren. Und so beeindruckten beide Gruppen mit einer geschulten Bewegungssensibilität und fokussierter Bühnenpräsenz. Aus den konzentrierten, strukturierten Improvisationen entstanden differenzierte Tableaus. Das machte diese an sich abstrakten Darbietungen, in der die Virtuosität in kleinen Gesten und spontanen Konstellationen liegt, für die ZuseherInnen äußerst spannend; auch weil bei beiden Stücken die Musik sehr sorgfältig ausgewählt und eingesetzt wurde.

Aichinger4Die Frage, die sich in Zusammenhang mit Community Tanzprojekten nämlich auch stellt, ist die künstlerische Wertigkeit. Was für die PerformerInnen eine lohnenswerte Erfahrung darstellt, ist nicht immer auch eine solche für das Publikum. ChoreografInnen, die diese Arbeit ganz selbstverständlich aus einer künstlerischen Perspektive entwickeln, erreichen auch beim Tanz mit Amateuren ein professionelles Niveau. Dabei kommt es nicht auf körperliche Virtuosität an, sondern auf die Qualität der Bewegung und der Inszenierung. Die bestimmenden Faktoren sind jene, die den Tanz in einem mehr oder weniger narrativen Rahmen bestimmen, etwa Fokus, Geschwindigkeit, Krafteinsatz, Raumnutzung oder Beziehungen zu den anderen. Dabei spielt das Alter der TänzerInnen (oder deren Beeinträchtigung oder deren psychosozialer Background) keine vordergründige Rolle.

Zum Abschluss spannte das tanz.coop Ensemble unter der Leitung von Gisela Elisa Heredia den Bogen zwischen dem Veranstaltungsort, dem Dschungel Wien, und der ALTERnative TANZ mit Ausschnitten aus der „Age Surfer’s Symphony“, an der fünf TänzerInnen zwischen 10 und 60 Jahren zwischen den Generationen surfen. In seiner Kurzform war es zwar lang nicht so schlüssig wie bei der Premiere (tanz.at berichtete), und doch eröffnete dieses Stück eine weitere Variante des weiten soziokulturellen Themenspektrums im zeitgenössischen Bühnentanz.

ALTERnative TANZ, 1. bis 3. Oktober im Dschungel Wien

 

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