Ja, ich habe wieder einmal eine Nacht schlaflos zugebracht. Und zwar harrte ich der Geisterstunde des 20. Augustus, zu der das Universitätssportinstitut Wien seine Onlinepforten für die Semesteranmeldungen öffnen wollte (Konjunktiv, weil eh wieder ein Serverzusammenbruch dies lang vereitelte). Jedenfalls gelang es mir irgendwie in dieser kurzen Nacht, meinen Platz in der Ballettstunde von Hanae Mori zu sichern – diese Stunden sind innerhalb kürzester Zeit ausgebucht.
Zu Recht, das meinen auch die zig anderen, denn auch sie reißen sich um Stunden bei ihr oder bei ihren Kolleg:innen.
Die große Nachfrage straft alle jene Lügen, die schon seit Jahren vom Absterben des Balletts reden, von einer Tanzkunst, die nicht mehr zeitgemäß ist, oder die ausschließlich essgestörte Narzißt:innen hervorbringt.
Ballett besteht freilich auf Normen, legt Körperhaltungen fest, tut manchesmal auch ein bisschen weh. Das alles nimmt man gerne in Kauf, wenn man sich zu Musik (welcherauchimmer) in Figuren bewegt, den Lufthauch spürt, den man selbst erzeugt, die Brise, die einem Freude ins Gesicht zaubert.
Nach den rituellen und religiösen Tänzen, den Volkstänzen und dem Beginn höfischer Tänze bildete sich sehr schnell das Ballett als Basis aller weiteren Tanzformen im Bühnentanz heraus und beherrscht nun schon an die sieben Jahrhunderte unsere Tanzwelt.
Ich versteige mich sogar so weit, das Ballett als Mutter allen Tanzens zu bezeichnen. Egal, welche Tanzrichtung man einschlägt: Gerne wird einem von den Dozent:innen erklärt, dass sich alles „ganz anders als beim Ballett“ gestalte. Doch, siehe da, schon nach ein, zwei Lektionen findet man alte, bekannte Figuren. Auch wenn sie nicht Demi Plié oder Pirouette oder Arabesque genannt werden, tauchen diese „standard moves“ in vielen Stilen und Formen wieder auf. Und ich frage mich: Warum denn auch nicht? Das ist auch der Grund dafür, dass ich Ballett trainieren werde, solange ich mich noch an der Stange halten kann. Auch wenn man mich gerne mit dem Sketch „Otto Schenk tanzt den Schwanensee“ assoziiert. Mein Mut ist jedenfalls riesiger als meine Anmut.
Das Ballett hat viele Gesichter entwickelt und entwickelt sie nach wie vor, je nach Choreographie, Standort, Zeitgeschmack. Das zu zeigen war ich auch bemüht, als ich mit meinem lieben Sohn 2019 Sankt Petersburg bereiste und ihn – erstmalig in seinem schon 34 Jahre währenden Leben – zum Ballettschauen ins Mariinsky nötigte. Dort gab man in einem Aufwaschen an diesem Abend Marguerite et Armand, The Seasons und Le Reveil de Flore. Mein Sohn war restlos von der Ballett-Bandbreite überzeugt, als man im letzten Stück einen lebenden Schafbock hin und her über die Bühne getrieben hatte.
Meine jüngste familiäre Balletthoffnung heißt Ella und ist fünf Wochen alt. Ich habe aber als optimistischer Großvater schon heimlich ergoogelt, dass das Kinder-Ballettoutfit von Bloch 32,50 Euro kostet.
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